Gedichte über das Leben - Seite 175

Ein Körnchen Wahrheit steckt in jeder Lüge,
auf einem Holzweg findet man sein Glück.
Wenn ich auf einen Standesdünkel fliege,
führt mich der nächste Flug bestimmt zurück.

Man denkt verklärt an seine Jugendsünden
und es gibt keine Tat, die man bereut.
Mit Argumenten lässt sich das begründen.
Und größtenteils ist jeder hoch erfreut.

Man handelt klug und dennoch geht man baden.
Man übt Kritik, und die ist oft pauschal.
Verloren wird der weltberühmte Faden,
das hält die ganze Welt für stinknormal.

Man prahlt sehr oft mit dem fundierten Wissen,
und unablässig stellt man sich zur Schau,
doch ohne Google ist man aufgeschmissen,
und wäre aller höchstens halb so schlau.

Roman Herberth

Ich weiß es noch ganz genau,
vor Jahren nahm ich meine Frau,
eilte mit ihr zum Meldeamt
zu klären, wie man abgestammt.

Wir haben uns zu schnell gefreut,
es gab einen Termin erneut.
Erst sollten wir traurig lachen,
beim Fotografen Bilder machen.

Passbilder, biometrisch genau,
aber einzeln von Mann und Frau.
Drinnen hat der Automat verzettelt,
draußen haben wir das Geld erbettelt.

Zurück im Amt der gleiche Mist,
weißt du denn wie groß du bist?
An Unterschriften jede Menge
und im Portemonnaie wird’s enge.

Endlich schlug die Amtstür zu
und wir hatten unsere Ruh.
Doch heute bekam ich Probleme,
ich sollte beweisen, woher ich käme.

Stolz zog ich im Polizistenhaus
meinen neusten Ausweis raus.
Doch keiner schien ihn zu verkraften,
denn man wollte mich verhaften.

Der eine fragte mich ganz dumm,
nun raten sie doch mal, warum?
Geburt, Adresse, Rufname, Bild,
das Raten machte mich ganz wild.

Wollen sie mich für dumm verkaufen?
Nein, ihr Ausweis ist längst abgelaufen.
Da merkten wir endlich als Ehepaar,
wie schnell 1 Dekade vergangen war.

05.04.2016 © Wolf-Rüdiger Guthmann