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Gedichte über Ironie - Seite 55


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Weihnachtsgäste

Weihnachtsgäste

In Gasterwartung: Ruhe vor dem Sturme,
Noch läuten die Glocken vom Kirchenturme,
Bis lautstark unsere Hausglocke schellt
Und der große Hund noch lauter bellt.

Jetzt wird gleich wieder herumgetollt
Und eine Enkelin, die gerne schmollt,
Weil man sie nicht gleich hat vorgelassen,
Muss den kleinen Bruder beim Kragen fassen.

Der heult, damit die Mama rasch eilt –
Der übrige Pulk ist uns längst enteilt!
Während sie mit der Göre schimpfen muss,
Bekommt der Opa 'nen feuchten Kuss.

Zum Baum geht es, Geschenke plündern,
Am Auspacken die kleine Schwester hindern,
Dem Bruder ein wenig Plätzchen stehlen
Und schleichend den Weg zum Keller wählen.

Da unten ist man dann unterwegs
Mit Schokolade und manchem Keks,
Bringt dort natürlich alles durcheinander,
Schaut nach, wo Werkbank und gekühlter Zander.

Plötzlich kracht es laut unter unserem Dach,
Höllisch wird erlebt der Enkel Krach,
Denn man hat dort inzwischen leider entdeckt
Ein Schlagzeug, obwohl es gut zugedeckt.

Singen ist jetzt nicht mehr wirklich möglich,
Nirgends ist man mehr miteinander pfleglich.
Damit die Mannschaft nicht tobt wie besessen,
Ruft die genervte Oma: „Jetzt gibt es Essen!“

Während sich eilig alle Mägen füllen,
Man längst die Gläser gestellt zum Befüllen,
Wird alles rasch von der Gans schnabuliert,
Die Knochen zum großen Teller geführt.

Da kommt nun doch etwas Ruhe auf,
Während das jährliche Mahl nimmt seinen Lauf
Und schon der Verdauungsschnaps angesagt,
Weil Erwachsene danach der Magen plagt.

Alle sind endlich sehr gut abgefüllt,
Die Oma längst Töpfe und Schüsseln spült.
Da weiß man dann, dass es nun an der Zeit
Zu singen die Lieder, ganz weihnachtsbereit.

Doch mancher findet trotz vollem Bauch
Nicht den richtigen Ton, wie es der Brauch
Und trällert unmöglich laut „Stille Nacht“,
Als wäre er um seinen Geist gebracht.

Also beginnt Oma mit den Kindern ein Spiel,
Damit das Liedsingen wird nicht zu viel.
Sie holt deshalb Brettspiele heraus
Und hofft, dass damit das Lieddudeln aus.

Damit auch das Haus nicht weiter leidet,
Der Nachwuchs seine Kräfte ausbreitet,
Setzt man sich gerne hin zum Hütchenspiel,
Denn Ruhigstellung ist Omas Ziel.

Manche sitzen herum mit Handy und daddeln,
Zwei Mädchen sieht man eifrig beim Nadeln
Und das alte Sofa ächzt laut und leise,
Auf dem Esstisch steht eine Götterspeise.

Doch beim Spielen tobt sich aus die Kraft,
Mit der manches Kind sich Gewissheit verschafft,
Dass siegreich nur jener Enkel sein kann,
Der sich lautstark gebärdet als toller Mann.

Er war's auch, der zuvor den Kartoffelsalat
Früh zu sich nahm und durch die Untat
Mit dem Tadel der Eltern schimpfend begleitet
Sich hinlümmelt – worunter Weihnachten leidet.

Abends dann leert sich so langsam das Haus
Und die Nachkommen ziehen endlich hinaus.
Die Großeltern sind redlich müde zur Nacht –
Und haben doch alles richtig gemacht,

Ein wenig schon Verpackungen gesammmelt
Und nachgesehen, dass da nichts vergammelt,
Somit wenigstens ein wenig Ordnung geschaffen,
Wo zuvor kraftmeiernd die Kämpen sich trafen.

Endlich sind die vielen Gäste fort,
Der Baum steht immer noch am selben Ort
Und lässt sein Kerzenlicht weiterhin leuchten,
Während sich großelterliche Augen feuchten.


©Hans Hartmut Karg
2019

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