Das Leben ist kurz und die Urne klein,
da heißt es lebenslang groß zu sein.
Also machen wir Klosternichten und –neffen
jährlich ein großes Klassentreffen.
Dabei stellte sich endlich einmal heraus,
Hoteldirektor ist mein Banknachbar Klaus.
Und schon sollte er mit uns ohne Zaudern
etwas aus dem Nähkästchen plaudern.
Viele Zimmer, fast 100 Bettstellen,
da mussten die Geschichten nur so quellen.
Doch für ihn sei wichtig schon
der gute Ruf und Diskretion.
Und falls es mir so wichtig sei,
das Liebesgestöhne und Lustgeschrei,
sollte ich eine Uniform tragen
und ein paar Tage als Liftboy wagen.
Mein Unwissen nähme er in Kauf,
der Fahrstuhl fahre nur runter und rauf.
Hatte ich schon „A“ gesagt,
wird das „B“ dann auch gewagt.
Und ich mich heute noch seh,
vor dem Spiegel in roter Livree.
Jede Schwiegermutter würde neidisch erblassen,
ihre Tochter nicht aus den Augen lassen.
Der 1. Tag angeblich nur zum kennen lernen,
samt Betten beziehen unter Himmeln und Sternen.
Denn eine Kollegin war plötzlich krank
und meine Uniform blieb im Schrank.
Doch ständig beim Betten schütteln
sah ich der Kollegin Brüste rütteln.
Als ich dort auf die Schnelle angefasst,
hat sie mir eine Schelle verpasst.
Doch statt lautstark um sie zu werben,
wollte ich jetzt jammernd sterben.
Doch sie sagte, ich will nicht lügen:
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“
Das letzte Zimmer aber verschloss sie von innen,
ließ mich dort Lust und Liebe gewinnen.
Doch am nächsten Tag in aller Frühe
gab’ s vorsorglich auch Ei in der Brühe.
Ich stand vor’ m Hotel Habtacht
und habe den Gästen die Tür aufgemacht.
Ehe manche noch den Eingang genommen,
hatte ich schon Trinkgeld bekommen.
Ich trug Koffer, Schachteln, Taschen dafür
zum Fahrstuhl, aber auch zur Tür.
Ob Mann oder Frau, ich wurde sistiert,
von oben bis unten angestiert.
Und dann erst, ob jung ob alt
der nächste Blick dem Spiegel galt.
Mütter mit Töchtern, den Vater kontrollierten,
aber selber auf der Ober Schenkel stierten.
Und mich hatten sie nicht vergessen,
einen Liftboy hätt manche gern besessen.
Eine wollte mir reichlich Trinkgeld geben,
um den Wäschekammerschlüssel zu erstreben.
Den habe ich wie einen Orden getragen
und bekam dazu sehr viele Fragen.
Schon war das Problem angeschnitten,
unter dem viele Künstler und Sportler litten.
Bei der Hochzeitsfeier musste ich ihn geben,
denn die Braut wollte noch was erleben.
Allerdings, so viel kann ich verraten,
nicht der Bräutigam war’ s, nur einer der Paten.
Den Ehemann brachten beide noch nett
zum Ausnüchtern in das große Hochzeitsbett.
Das sprach sich unter den Frauen herum,
der Schlüssel wanderte heimlich und stumm.
Im Dachgeschoss war’ s, wo des Personals Zimmer,
ich fuhr sie mit dem Lift dorthin immer.
Ich selber hatte dafür keine Zeit,
ich stand am Fahrstuhl dienstbereit.
11.07.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann