Der Weinselige
Alle Welt kannte ihn als den frohen Mann,
Der so gastfreundlich zu jedermann,
Mit dem man immer trinken kann:
Humor brach sich bei ihm die freie Bahn.
Charmant konnte er Witze reißen,
Ich habe ihn dafür gerne gemocht,
Weil dabei unsere Fantasien reisen –
Auf Rechthaben hat niemals er gepocht.
Nicht alle, die so zu ihm kamen,
Waren ihm aber wohl gesonnen,
Denn Neid sprengt oft sozialen Rahmen,
Den eigentlich das gute Herz gewonnen.
Mein Freund war immer in Person
Die Fröhlichkeit zu allen Zeiten.
Wenn ich ihn traf, war das mein Lohn
Für Schönes, denn er konnt' nicht streiten.
Wenn wir uns sonntags bei ihm trafen,
Stand er frisiert und aufgeräumt
Mit den kristall'nen Weinkaraffen –
Weil er so gern vom Weine träumt'!
Doch als im Alter wir beisammen,
Gestand er mir sein Grundproblem:
Die Vorurteile, diese stammen
Aus Jungjahren, nicht wahr, nicht schön.
Er wollte fröhlich nur und witzig sein,
Doch viele sahen ihn allein als Trinker.
Gar mancher trank gern seinen teuren Wein,
Doch hinterher war er nichts als ein Stinker.
Und immer war mein Freund Gastgeber,
Kredenzte nur den besten Wein.
Doch plötzlich machte schlapp die Leber,
So musst' er künftig vorsichtiger sein.
Das half ihm dennoch leider wenig,
Man sah in ihm nichts, als den Säufer.
Er drehte niemals um den Pfennig,
Doch Vorurteil' sind leider Endlosläufer.
Damit er nicht mehr trinken musste,
Verriet er mir nun seinen Trick:
Weil er jetzt um sein Fremdbild wusste,
Nahm er die Nassauer genau in seinen Blick.
Die konnte er gezielt verjagen,
Denen goss ein er Billigwein
In ihre Gläser, um zu sagen:
„Lasst mich, den Säufer, doch allein!“
©Hans Hartmut Karg
2018
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