Gedichte über Gefühle - Seite 2021

Zwei Bilder von dir
haben sich mir
eingebrannt

Gedankenfotos
von denen ich immer wieder
neue Abzüge mache
wenn ich dich vermisse

Das eine bist du
auf der Demo der Refugees
im März
letztes Jahr
wie du am Rand stehst
in deinem
schwarzen Windbreaker

Wie du „Hallo“ sagst
obwohl wir nur mal kurz
geredet hatten
auf unserem Treffen
an der TU

Wir umarmen und flüchtig
und danach ist mir warm
und ich hab gute Laune


Das andere bist du
in eurer WG-Küche
im Januar
ein dreiviertel Jahr später
beim Frühstück nach unserem
letzten Mal

Wie du „Tschüss“ sagst
mit vollem Mund und
kurz die Hand hebst
und lächelst

Ich gehe aus der Tür
stapfe durch den Schnee
und friere

Ich könnte heulen
aber bin glücklich
über alles was war
das letzte dreiviertel Jahr

Und wieder sitze ich alleine
ich meiner Wut, meiner Verzweiflung
gefangen im Selbstmitleid
und dem Käfig des Alleinseins

Wieder fühle ich mich schuldig
weil ich mich schlecht fühle
und schlecht, weil ich mich schuldig fühle
und wütend, weil du eiskalt bist
und neidisch, weil ich es nicht sein kann

Und wieder kann ich nicht mit dir reden
dich nur anschreien
innerlich
dir sagen, dass ich dich brauche,
dass du mir zuhören sollst
dass ich dich liebe

Doch wieder weiß ich,
dass es nichts bringt
weil du mich nicht hörst
innerlich
nicht an dich heran lässt

Wieder bin ich gefangen
ich einer Beziehung mit dir
allein

Ich habe aufgehört zu schreiben

All meine Gefühle, Gedanken,
verrannte Ideen
habe ich aufgeschrieben
früher.

Habe lange, kurze, unvollständige
schöne und schlechte
Gedichte geschrieben
fast immer
wenn mich jemand
oder etwas
berührt, beglückt, verletzt hat

Und jetzt?
Mein irres, unruhiges, unstetes
Leben – Liebesleben –
ist vorbei.

Ich bin glücklich
vergeben
verliebt
und er gibt mir alles,
was ich brauche
macht mich glücklich
jeden Tag.

Brauche ich das Schreiben nicht mehr?

Es hat mir geholfen in der Not
war mein Tröster bei Seelenschmerz,
aber Schreiben ist doch mehr
als Schmerzbewältigung
muss doch auch Teil meines
neue, glücklichen, zweisamen
Lebens sein.
Oder?

Ich schreibe jetzt Artikel, Aufsätze, Hausarbeiten
mit richtiger Zitation, Quellenangabe, Zeilenabstand
halte mich an Vorgaben wie Verständlichkeit, Relevanz, Aktualität
doch ich enge mich ein
ich schreibe nicht, um zu schreiben
das Schreiben verliert seine Seele
und meine Seele wird einsam
ohne das Schreiben.