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Gedichte über Familie - Seite 66


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Falsche Stimmen

Falsche Stimmen

Falsche Stimmen gaukeln Dir etwas vor,
Loben Dich, tadeln Dich, zerreißen Dich.
Manchem ist Nächstenliebe nur ein Labor,
Will fesseln, ködern das Du – und auch mich.

Sie ist etwas jünger als er,
Der Bruder, dem alles gelingt.
Daran trägt sie ein Leben lang schwer:
Zweitgeborene, welcher der Sternhimmel sinkt.

Doch das kann ihr eigenes Umfeld
So richtig eigentlich nicht ganz verstehen,
Dass die Geschwisterbeziehung missfällt,
Ihr, die auf viele Erfolge kann sehen.

So kommen die falschen Stimmen zum Zug,
Die ihr wiederholend und beständig einreden,
Der Bruder bestünde nur aus Lug und Trug,
Trage Mitschuld an ihren persönlichen Nöten.

Die falschen Stimmen haben bald erreicht,
Dass sie glaubt, der Bruder sei schlecht,
So dass bei ihr langsam die Erinnerung weicht
Und Begegnungen ihr nicht mehr recht.

Gegen die Stimmen kann sie sich nicht wehren,
Denn sie ist leider hörig und schwach.
Wenn Worte wiederholt mit Intrigen verheeren
Droht der leidenden Seele Ungemach.

Sie gibt alles auf, bricht schließlich ein,
Kappt alle Kontakte zum leiblichen Bruder
Und geht ihren Weg schließlich ganz allein –
Verstorben sind längst Vater und Mutter.

Die Seele ist schon ein seltsames Wesen,
Will eigentlich immer Kontakt bis zum Ende,
Worte, welche Liebe von den Lippen ablesen –
Doch jede Trennung signalisiert auch die Wende.

Falsche Stimmen gaukeln Dir vor,
Was im Horizonte der Trennung möglich.
Doch wer schaut auf das verkorkste Labor,
Dem endet das Leben unsäglich.


©Hans Hartmut Karg
2021

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