Gedichte über das Alter - Seite 91

Zeit, Zeit
so viel Zeit.
Umgibt mich,
Rinnt
Durch meine Finger,
Versorgt mich, fährt
Durch mein Haar,
Streicht über meine Wangen.
Um dann eines Tages,
Wenn sie sich mir zu versiegen beschließt ,
Meine Wangen zu
Zerknittern
Und meine Haare
Fahl und
Weiß werden zu lassen.
Und dann werde ich sie missen,
Bis ihre Hand,
An meine Gurgel fährt
Und
Meine Zeit,
Gekommen ist.

Strümpfe stricken

Neunundfünfzig Jahre,
musste ich erst werden,
um das Strümpfe stricken,
endlich zu lernen.

Wir haben gestrickt,
viele Runden,
dabei geplaudert,
einige Stunden.

Maschen sind gefallen,
mich auch mal verstrickt,
von vorne angefangen,
der Strumpf jetzt sitzt.

Sie halten warm,
ich bin stolz auf mich,
denn ich habe sie,
ganz alleine gestrickt.

Auch im Bett,
ich die Strümpfe trage,
habe warme Füße,
in der Nacht und am Tage.

Die kalte Jahreszeit,
gut überbrücken,
am Ofen sitzen,
und Strümpfe stricken.

Sabine Volkmar Januar 2015

Hellwach ist ihr Geist


Die Dame sehe ich öfters im Park,
zerbrechlicher Körper, der Geist jedoch stark.
87 und sehr weise,
murmelt Gedichte, ehrfürchtig leise.

Bedächtig läuft sie mit langsamen Schritt,
Gedichte ihr Leben, sie halten sie fit.
Familie und Freunde leben nicht mehr,
auch ihre Hunde, sie liebte sie sehr.

Mit Inbrunst wird die Glocke geschwungen,
der Raum von Schiller´s Geist durchdrungen.
Doch damit ist´s nicht genug,
ihr Favorit - "Des Sängers Fluch"

Mit fester Stimme, nach großem Streben,
entfacht sie der Dichtkunst Neues Leben.
Goethe, Uhland, stehn bereit,
im Zauber der Vergangenheit.

Lyrischer Wohlklang der Athmosphäre,
schwingt den großen Meistern zur Ehre.
Ihr Alter nicht mehr wichtig scheint,
im Atem der Poesie vereint.

@ Nordwind 14