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Gedichte über das Alleinsein - Seite 129


Wasserwellentelepathie

Der letzte Sommer war heiß, die Küste lang,
und mancher machte seinen Fang.
Bernstein, Fische, selbst Flaschenpost,
gute Fotos oder Aal als Kost.
Doch im Herbst bei Wind und Kälte
keiner gern am Strand sich pellte.

Ich war hier in der Klinik als Rehabilitand,
wie der Kurgast wird wissenschaftlich genannt.
Fernsehen und E-Mails schreiben
konnte ich nicht jeden Tag betreiben.
Als ich heute lief am Strand ein Stück,
sah ich unverhofft das nackte Glück.

Mitten durch ein großes Dünenfeld
hatte ich mich zum Strand gequält.
Da musste ich drei Mal schauen,
um meinen Augen auch zu trauen.
Bei dieser Kälte aus der Ostsee kam
ein hübsches Frauchen, nackt ohne Scham.

Sollte ich nun nicht hinsehen
und lieber schnell des Weges gehen?
Man soll den Zufall nicht verfluchen,
drum eilte ich ihr Handtuch zu suchen.
Ihre Füße noch das Wasser wellten,
als meine sich ihr in den Weg schon stellten.

Ich sah beim Näherkommen genau
ihr schöner Körper wurde schon blau.
Rasch das Handtuch ihr umgeschlungen
und auf die Decke sie gezwungen.
Ich habe gerubbelt und gerieben,
dort wo es die Frauen lieben.

Sie erzählte mir unterdessen dabei
warum sie hier so nackt und frei.
Sie wollte keinen Namen nennen,
doch lernte sie einen Seemann kennen.
Sie haben beide sich heimlich verlobt
und im Urlaub manche Nacht getobt.

Er musste sich wieder der Seefahrt stellen
und sie hofft nun auf die Wasserwellen.
Jeden Abend um die gleiche Zeit
sind beide nackt im Wasser bereit.
Die Herzen aufgeregt dann schlagen,
die Wellen es zum Partner tragen.

Trennt sie auch der Horizont,
jede Seele im gleichen Wasser wohnt.
Doch am Telefon musste er fragen,
denn er hört zwei Herzen schlagen.
Ich wollte ihr erst die Kleidung langen,
doch dann bin ich erfreut in die Klinik gegangen.

19.01.2020 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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