Vom Ertrinken
Ein Gedicht von
Johanne Thomsen
Die Hände auf dem Rücken gefesselt
sitze ich in einem tiefen Wasserloch
und sehne mich nicht mehr nach Freiheit
Hier kann mir nicht viel passieren
Entweder halte ich die Luft an und versinke mit meinen Zweifeln
oder ich atme tief ein und steige mit meiner Hoffnung an die Oberfläche
Wasserperlen reihen sich wie auf einer Schnüre aneinander
und die Uhren lassen die Zeit nur langsam verstreichen
Wasserträger nehmen mir die Lasten von den Schultern
damit ich nicht tiefer sinken kann
Wassertürme auf Sand gebaut stürzen ein
und auf unruhigen Wasserstraßen schaukeln kleine Fischerboote
Wasserstaub legt sich auf meinen Körper wie zum Schutze
und Vögel legen eine Rast ein um sich auszuruhen
Das Wasser findet seine Wege auch ohne Kompass
und in Unterwasserwelten scheint keine Sonne
Über Wasser wandern können nur die Starken
um in Wüsten ohne Sand zu ertrinken
Wirbel bringen meine Gedanken durcheinander
um sie später auf der ruhigen See wieder auszusetzen
wo Fontänen in den Himmel schießen
Wasserstellen sind der Treffpunkt der Heimatlosen
und im Wasserspiegel kann ich mich nicht sehen
Wasserspiele kennen keine Gewinner und
ein Wasserschlag tut nicht weh
Wassersäulen fallen über Ertrinkenden zusammen
und eine Wasserrose versprüht keinen Duft
Auf Wasserrädern werden keine Rennen gefahren
und Wasserpistolen töten keine Menschen
Wassernixen sind unsichtbar
und Wassermänner keine Kavaliere
Auf der Wasserlinie kann ich nicht balancieren
und Wasserläufer haben es nicht eilig
Wasserkunst hängt nicht an der Wand
und am Wasserhimmel scheint kein Mond
Wassergüte vergibt nicht
und Wassergeister hört man nicht poltern
Wasserfedern schweben nicht davon
Wasserblasen geben Auftrieb
und Armut kann auch durstig machen
In Adern muss kein Blut fließen
und Wasserflöhe tanzen leichten Fusses
Leichen kommen irgendwann mit gefesselten Händen
wieder an die Oberfläche zurück und klagen an
Johannne Thomsen
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