Schlesiens Weber-Brandenburgs Stricker

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Die Weber in Schlesien waren eine Macht,
die Webstühle liefen bei Tag und bei Nacht.
100 Jahre getreten mit fußeigener Kraft,
dann wurde Dampfenergie oder Strom angeschafft.
Der Webstuhl hat ein Oberbett
und in gleicher Art ein Unterbett.
Jedes aus vielen Fäden besteht,
um deren Verbindung sich alles dreht.

Sich zugleich eines hebt und eines senkt,
das Schiffchen einen Querfaden dazwischen drängt.
Und der Webstuhl zieht in seinem Bette,
das fertig gewebte, genannt die Kette.
Das Schiffchen, mit stählernen Spitzen,
muss ständig hin und her nur flitzen.
Es schießt dahin auf einer Geraden
und zieht dabei den bindenden Faden.

Das Schiffchen saust, von hier nach dort,
und manchmal ist es plötzlich fort.
Wird es nicht richtig aufgefangen,
ist es seinen Weg weiter gegangen.
Manch Schiffchen gab der Wand ein Loch
oder sauste durch das Fenster noch.
Ich sah auf der Straße Frauen im Kittel,
die suchten das wichtigste Arbeitsmittel.

Man fabulierte gern vom Webergeist,
der oft sich von der Kette reißt.
Im Eulengebirge, Teil schlesischer Berge,
schob man es gern auf Rübezahl und die Zwerge.
Das Weben war zwar Arbeit, Wissen und Macht,
doch hat die Politik die Fehler gemacht.
Eines Tages sind die Webstühle stehengeblieben,
denn man hat ganz Schlesien vertrieben.

Wer ahnte, dass die Heimat für immer verkommen,
hat seine Schiffchen vorsorglich mitgenommen.
Und bald sah man mit alten Spitzen
Schiffchen auf neuen Webstühlen flitzen.
Man redete noch lange vom Schlesischen Weben,
doch Brandenburgs Stricker erweckten Stoffe zum Leben.
Meist Vater webt und Mutter strickt,
das Schiffchen schwebt, die Nadel knickt.

Der Faden doch bei beiden reißt,
auch wenn er anders heißt.
Mit spitzen Fingern man sich schindet
bis ein Knoten dann verbindet,

08.08.2020©Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Schlesiens Weber-Brandenburgs Stricker

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08.08.2020
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