Rapunzel, Rapunzel

Ein Gedicht von Anouk Ferez
Rapunzel lässt den Zopf vom Turm:
„Jucheh, was bin ich aber schön!
Oh wunderbar, welch starker Sturm,
der weht durchs Haar – wer wird es sehn?“

Lang warten muss die Schöne nicht:
Schon kommt ein Prinz daher,
neigt sich vor dieser Pracht und spricht:
„Du Hübsche, du gefällst mir sehr!“

„Oh holder Herr, Sie haben Sinn
für guten Stil und Klasse.
So kommt doch rasch zu mir hinauf,
weil ich am Haar Euch hangeln lasse!“

Der Prinz schaut jene Hold an
und überlegt, ob’s schicklich wär'.
Er ist letztendlich nur ein Mann
und ihre Schönheit reizt ihn sehr.

„Oh hoher Herr, seid Ihr aus Stein?“,
so kokettiert die Schöne.
„Gefangen so im Turm allein
bin ich – wie ich mich nach Euch sehne!“

„Oh zögert nicht!“, fleht die Rapunzel,
löscht seine Skrupel, nährt sein Hoffen…
denn im Schein der alten Funzel
steht Turmes Fensterchen weit offen!

Drauf schwingt er sich dem Tarzan gleich
an ihrem Schopf nach oben.
Es lockt ihn sehr ihr stilles Reich,
die Endorphine toben…

Kurz drauf betritt er ihren Raum:
„Oh werte Dame, seid mir hold!“
„Hallo du Dummbax – aus der Traum!“,
sagt sie – und nimmt sein Gold.

Sie nimmt sein Schwert und sein Gewand.
Was hat ihn nur geritten?
Die Schöne ist so schön nicht mehr
und auch der Zopf ist abgeschnitten!

Ans Fenstersims bindet sie den,
um flugs zu türmen, eins, zwei drei.
War das denn gar nicht abzusehn?
Er ist gefangen, sie nun reich – und frei!

Die Taschen voll, der Kopf rasiert,
als Punk entflüchtet’s wenig später,
`s Rapunzel, ja, man glaubt es kaum:
Es wird das Opfer oft zum Täter…

© Anouk Ferez 2-2016

Informationen zum Gedicht: Rapunzel, Rapunzel

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12.02.2016
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