Mit dem Koffer in der Hand
Mit dem Koffer in der Hand
ich neulich auf dem Bahnhof stand.
Ich wollte weg, wusste nicht wohin,
ohne Ziel hat alles keinen Sinn.
Das Leben hatte mich erwählt
und aus irgendeinem Grund gequält.
Die Eltern starben kurz hintereinand
und ich keine passende Freundin fand.
Die jungen Frauen sind sehr schlau,
selbst die mit breitem Körperbau.
Ihr Partner soll nicht nur allwissend sein,
er soll sie lieben, nur sie allein.
Beim Wecken brauchen sie Streicheleinheiten,
die mittags auch zum Schlaf verleiten.
Im Alter ist das nicht so leicht,
weil man einen Bekanntheitsgrad erreicht.
Und je kleiner der eigene Wohnort,
desto schwerer kommt man davon fort.
Doch heute bin ich davon gerannt
und stehe hier mit dem Koffer in der Hand.
Ich studiere die Anschlagtafeln,
die von Abfahrtszeiten und Werbung schwafeln.
Fahr ich nach Norden, Süden, Osten oder Westen?
Welche Richtung ist am besten?
Wähle ich Gebirge oder Meer,
die Entscheidung fiel mir schwer.
Bekannte Segelyachthafenorte
lockten wie die im Süden bekannte Torte.
Ich könnte auch ins Ausland reisen,
wo sie Tulpen oder Splidarnosc preisen.
Besuche ich den Affenfelsen als Zoo
oder die Schatzinsel Monte Chrtisto?
Überall wird es Frauen geben,
vielleicht finde ich eine zum Leben.
Da höre ich, als ich den Koffer gezerrt:
Der Bahnhof wird wegen Corona gesperrt.
11.07.2020©Wolf-Rüdiger Guthmann
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