Ideenfindung (alles schon mal dagewesen)
Ein Gedicht von
Hans Witteborg
Der Mensch, der sucht seit eh und jeh,
sofern gesund er bei Verstande,
nach jener zündenden Idee,
die nicht sogleich verrinnt im Sande.
Dabei erweist als hinderlich
Und störend die Gedanken
Zumeist ein lärmend Umfeld sich
Und weist ihn in die Schranken.
Oft verhindert auch Gewalt,
wie sich bei Archimedes zeigt,
den Fortschritt in Legionsgestalt,
weil’s Militär war abgeneigt.
Kolumbus, der nach Indien wollte
Und deshalb aufbrach im August,
dem Irrtum er Tribut nur zollte
und letztlich dann verlor die Lust;
auch weil der Wiking trotzig Schar
schon vor ihm – wie bekannt-
in dem gelobten Lande war:
Amerika genannt.
Man glaubt, der Bertold sei´s gewesen,
der einst erfand des Pulvers Kraft.
Doch vor ihm war´n es die Chinesen,
die hatten`s längst vor Schwarz geschafft!
Ob Gänswein einst mit seinen Lettern,
ob Böttcher mit dem Porzellan:
es waren uns´re gelben Vettern,
die waren damals längst schon dran!
So sieht der Mensch allmählich ein
Gar schwierig ist´s Gedankengut
Sich auszudenken ganz allein,
weil dieses auch ein And´rer tut.
Gemeinsam heisst das Schlüsselwort,
nur so kann man gewinnen,
nur so entwickelt man sich fort
und kann dem Plagiat entrinnen!
Auch Faust hat nicht mit eig´ner Kraft
Erreicht, was ehemals ihm nötig
Hat die Erkenntnis nur geschaftt
Weil ihm Mephisto stets gebötig!
Gewieft im Lauf der Zeit erfahren
Sucht man nach dem Gedankengut
Herbeigezerrt an vieler Leute Haaren
Glaubt man, dass brain storming es tut.
Es redet frei weg von der Leber-
Geradeso wie es gefällt
Der Schwachkopf, Dummkopf – eben jeder,
der sich dazu berufen hält.
Am Schluss weiss auch der Analyst,
selbst wenn der Worte viele fallen,
dass alles dies nur Mumpitz ist
und zeigt´s mit seiner Gestik allen.
Uns bleibt nur noch das Postulat,
was nicht zu widerlegen,
dass man Ideen, die man hat,
schon längst auch Andere hegen.
Eingestellt von Hans Witteborg um 05:25
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