heute

Ein Gedicht von Klaus Lutz
heute habe ich am fenster gesessen. und eine
fliege ist ständig an die scheibe geflogen. ich habe
mir das 4-5 mal angesehen. dann dachte ich mir:
„was soll das?“ sie fliegt und fliegt. und ständig an
die scheibe. und das nervt. dann, habe ich sie
getötet. ich hätte auch das fenster öffnen können.
dann wäre sie in die freiheit geflogen. das war es
was sie wollte: "die freiheit."

heute war ich im supermarkt. und davor steht hin
und wieder eine frau. die verkauft die obdachlosen-
zeitung. und immer lächelt sie mich an. aber ich
gehe vorbei. ich gehe in den markt. kaufe ein. trinke
noch einen tee. sehe mir die kunden an. und wenn
ich den markt wieder verlasse. ist es wieder die
frau mit der obdachlosenzeitung, die lächelt. aber
ich gehe vorbei.

heute hat das telefon geklingelt. 3 oder 4 mal. alle
2-3 stunden. und ich weiß. es ist ein freund. er hat
probleme. und hin und wieder, will er mit mir reden.
ich kenne ihn schon ewig. er ist allein. depressiv
und am ende. und er erzählt immer das gleiche.
arbeit die schief gelaufen ist. beziehungen die schief
gelaufen sind. alles läuft bei ihm schief. und er hat
niemanden. aber ich lasse das telefon klingeln.

heute habe ich einen tippschein ausgefüllt. alle
felder. mit dem system in meinem kopf. ich habe
nachgedacht. das könnte kommen. die zahlen 
könnten es sein. und es gibt einen großen jackpot.
kann sein das ich glück habe. das hat mich stunden
beschäftigt. dann  hatte ich alle felder voll. und, 
war die ganze zeit bei der sache. dann habe ich
den tippschein zusammen geknüllt. und in den
papierkorb geschmissen.

heute habe ich einen brief erhalten. von einer alten
freundin. es ist der dritte brief von ihr. innerhalb der letzten 5-6 monate. sie ist in eine andere stadt 
gezogen. und will mich mal wieder besuchen. und
fragt, was mit mir los ist. warum ich nicht antworte.
wie es mir geht. und erzählt so. wie sie sich einge-
lebt hat. wie die neue arbeit ist. und, das sie immer
noch allein ist. ich habe das ding gelesen. und zu
den anderen briefen gelegt.

heute, war so ein tag. wo ich mir einfach denke.
das leben und die freiheit. die liebe und der hass.
die offenheit und die ignoranz. die hoffnung und die 
sinnlosigkeit. alles liegt so nah beisammen. so nah.
das es tage gibt, die nur verrückt sind. 

Klaus Lutz

11/2008

Informationen zum Gedicht: heute

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20.04.2012
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