Ex- und Implosion
Ein Gedicht von
Eva Pietsch
Um Materie auf engstem Raum zusammenzuhalten,
muss ein entsprechend hoher Außendruck walten.
Die Gefäßwand halte man besser geschlossen,
sonst kommt die Materie heausgeschossen.
Für dieses Phänomen kenn‘ ich zu meiner Freude
ein Beispiel: Kinder in einem Schulgebäude.
Solang' alle Türen geschlossen sind,
passt auf das Volumen sehr viel Kind.
Doch wehe! Öffnen sich beim Pausengong die Türen,
wird das zu explosiver Ausdehnung führen.
Die letzten entströmen fast noch vor den ersten,
als würde eine Tüte Konfetti bersten.
Ist die Masse erstmal in den Hof explodiert,
fragt sich, wie man sie wieder komprimiert.
Soll sie in die nächste Lektion eintauchen,
ist sie nach der Pause räumlich zu stauchen.
Stets aufs Neue versetzt sie mich in Erstaunen,
die Natur, denn eine ihrer seltsamen Launen
lebt sie Tag für Tag auf dem Schulhof aus:
Beim Gong strömt die Masse von selbst ins Haus.
Es scheint, ein akustisches Signal
ist der Materie nicht egal.
Sie komprimiert sich im Galopp und ruckzuck
ganz ohne Einwirkung von äußerem Druck.
So wie Kinder eilfertig ins Schulhaus wetzen,
widersprechen sie physikalischen Gesetzen.
Am Werk ist Massenanziehungskraft,
die solch sonderbares Verhalten schafft.
Nur das eine oder andere Teilchen
braucht ein etwas längeres Weilchen.
Diesem mache man dann Beine,
denn es läuft nicht von alleine.
Kinder oberhalb der kritischen Zahl
sind als Masse phänomenal.
Es handelt sich um Materie die ungeniert
nicht nur ex-, sondern auch implodiert.
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