Der Tag muss der Nacht weichen

Ein Gedicht von Ingrid Baumgart-Fütterer
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Im noch verschlafenen Antlitz des Kindes
begannen von Morgentau benetzte Lippen
in den Mundwinkeln hin und her zu wippen
wie Zweiglein in der Umarmung des Windes.
-2-
Seine blinzelnden Augen öffneten sich,
um dem Tagesbeginn entgegenzublicken,
in dessen Licht Rosen, Narzissen und Wicken
matt erglänzten wie auf einem Kupferstich.
-3-
Ergreifen wollt es goldenen Sonnenball,
mit dessen Schein kommende Nächte verbannen
in Unterwelten, welche Dichter ersannen
und diesem Lichte folgen als treuer Vasall.
-4-
Sein Mund spreizte sich nun zu einem Lachen,
dieses einzig und allein dem Sonnenlicht galt,
welches dem jungen Tag verlieh Form und Gestalt,
als auch befreite von nächtlichen Drachen.
-5-
Als wiederum der Tag am Abend erstarb,
erstarb auch des Kindes hoffnungsfrohes Lachen,
denn erneut öffnete sich ein schwarzer Rachen,
der das wärmende Licht umschloss wie ein Sarg.

Informationen zum Gedicht: Der Tag muss der Nacht weichen

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23.02.2025
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Baumgart-Fütterer) für private und kommerzielle Zwecke frei verwendet werden.
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