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Gedichte über Träume - Seite 226


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Die Haare kommen und gehen

Ist ein neuer Mensch geboren,
zieht man ihn nicht an den Ohren,
man klatscht ihm sachte auf den Po
und wenn er schreit, sind alle froh.
Dadurch muss er die Lunge bewegen
und zuvor den Herzschlag anregen.

Als hätte die Hebamme mich gepachtet,
hatte sie mich von allen Seiten betrachtet.
Dann sagt sie: „ Du bist ja ein feiner Atze.
großer Mund und kleine Glatze.
Andere werden schon geboren
mit dickem Fell über den Ohren.“

Gut, dass ich es nicht verstanden,
sonst ließe ich einen Brüller landen.
Ich wurde gewindelt und lernte laufen.
Bald war ich Teil im Kinderhaufen.
Hat einer von uns zu sehr gelogen,
haben wir ihn am Haar gezogen.

Mir machte das überhaupt nichts aus,
bei mir sah doch kein Härchen heraus.
Und mit mir gab’s auch kein Malheur
beim Stille sitzen vor dem Friseur.
Meine Eltern sparten durch mich Geld,
sie fragten mich oft, was kost die Welt.

In dem ziegelroten Grundschulgehäuse
gab es sehr oft des Kopfes lästige Läuse.
Erst wurden die Haare durchgewühlt,
dann wurden sie zum Stinken gespült.
Opa Knolle ließ dann meist in Gedanken
diesen Diesel in seinen Traktor tanken.

Bei der Musterung schrie der Sanitäter:
„Sie tragen den Stahlhelm eben später.
Wohin soll denn das die Armee führen,
wenn alle sich vorher den Kopf rasieren.“
Doch jeden Tag bei dem Morgenappell
glänzte meine Glatze allein und hell.

Beim Studium es die Frau Wirtin sah
und war bald der Verzweiflung nah.
„Wie soll ich von ihren Lieben wissen,
ohne ihre Haare auf fremden Kissen?“
Ich will es nur so nebenbei erwähnen,
ihr wuchsen Haare auf den Zähnen.


Ich habe den Schöpfer oft gebeten,
mir doch einen Haarschopf abzutreten.
Doch keiner seiner Wege führte dahin,
nicht einmal am Rasierpinsel Kinn.
Jetzt, wo ich kein Haar mehr brauch,
wächst es wild auf Kopf und Bauch.

01.10.2018 © W.R.Guthmann
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