In der Todeszone
Über seine Schulter hatt' er ja nicht geschaut,
ganz plötzlich musste ich ihm so ausweichen.
Ich übersteuerte dabei den alten Wagen,
das Lenkrad wurde aus den Händen mir gerissen,
so dass das Auto nun ins Schleudern kam.
Es raste ziellos hin und her, herüber und hinüber,
bis es mit einem Schlag dann auf dem Dache landete,
über den Asphalt mit mir etwa so zwanzig Meter rutschte
und ich mit meinem vollen, ganzen Gewichte –
weil es noch nicht Airbag, den Nackenschutz und Gurte gab –
gewaltsam und machtlos geschlagen auf dem Kopfe landete,
das Schiebedach nur teilweis' schützte die Kopfhaut,
mir reihenweise Haarbüschel ausgerissen wurden,
die Rückenschmerzen mich in Mark und Bein wie Donner trafen,
der Kopf, seitwärts gedrückt, die Riesenpein ertragen musste
und nur ein wenig das Gewicht, den Schmerz abfedern konnte,
bevor im Acker jenes Auto zum Stillstande kam,
nachdem langsam es sich dort aufgerichtet hatte.
Unendlich schien die Zeit mir als die lange Totenstille,
bevor ich aus dem Wagen kriechen konnte
und hören, wie die Lerche in den Frühlingshimmel sang...
Ganz schmerzverzerrt, blutend und wütend kroch ich heraus
aus dem Blechhaufen, der jetzt nichts mehr, als nur noch Schrott.
Mit heil'gem Zorn konnt' ich den Täter sehen,
den Himmel, die Sonne – und keine Wolke dort!
Minuten vorher hatte ich das Schiebedach geschlossen,
weil mich ein Wassertropfen auf die Stirn getroffen hatte!
Hätte der Himmel ihn nicht rechtzeitig geschickt,
so hätte ich den Unfall nie und nimmer überlebt.
Nach fünfzig Jahren wachte ich heut' wieder auf,
ganz schreckerfasst, durchschmerzt und schweißgebadet,
wie immer, wenn Traumaerinnerung mich packt.
Da hörte ich vom Nebenbett ganz leis'
das Atmen meiner Liebsten hier.
Jetzt wusste ich: Noch bin ich ja am Leben!
©Hans Hartmut Karg
2019
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