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Gedichte über Reichtum - Seite 16


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Mein Padua

Mein Padua

Das ist meiner zweitliebsten Stadt Verhängnis,
Dass viele ihrer Begriffe so sperrig sind.
Sehenswürdigkeiten kommen in Bedrängnis,
Weil ihre Namen schwer verstehbar sind.

Mein Padua, was hast Du alles geschaffen,
Das wir Heutigen allzu leicht vergessen,
Geist und Kultur, ganz ohne Waffen,
Der Größe Deiner Tradition angemessen.

Da ist Shakespeares Widerspenstige Zähmung,
Auch Goethes Faust und Brechts Galileo Galilei,
Bei denen Du als bedeutende Stadt findest Erwähnung,
In der Nähe Abano Terme, viel weiter weg Pompeji.

An Santos Kirche mit den acht Kuppeln der Basilika
Wurde achtzig Jahre in byzantinischem Stile gebaut –
Für Antonio, davor die Reiterstatue des Gattamelata,
Den das Volk als Verschlagenen längst durchschaut'.

Am Prado della Valle ein sehr großer Markt,
Dort grüßen Berühmtheiten aus Stein.
Und weil die Renaissance mit Giotto erstarkt',
Gehen wir ehrfürchtig zur Scrovegni hinein.

San Giustina ist eine der größten Kirchen der Welt,
Sie hat ständig ihre vielen Besucher und Beter.
Und Galileo Galilei, zum Professor bestellt,
Galt der Katholischen Kirche lange nur als Verräter,

Lehrte an der zweitältesten Universität der Welt,
Dazu gibt’s den ältesten anatomischen Hörsaal.
Nachts sezierte man heimlich, hatte Leichen bestellt,
Denn Hingerichtete gab es ja ohne Zahl...

Padua hat den ältesten Botanischen Garten,
Wo Goethe bereits seine Palme beschrieb.
Stadtstreicher durften im Caffe Pedrocchi erwarten
Wasser, Journale, weil man sie nicht vertrieb.

Lord Byron, Maxim Gorki und viele andere saßen,
Wo 1848 Studenten gegen Österreich konspirierten,
Im Liston konnte man edle Waren anfassen,
Welche immer schon zum Kauf animierten.

Maler wie Tizian und Veronese schufen ihre Bilder,
Die Universität erstrahlte in neuem Glanz,
Wo frisch Promovierte feierten und Schilder
Zeigten uns an, wo des Stadtlebens Tanz.

Als ältester Supermarkt der Welt gilt der Salone,
Er ist Paduas heimliches Wahrzeichen.
Es gab ja nicht nur Don Camillo und Pepone,
Man wollte mit der Kultur auch Größe erreichen.

Der Ponte Molino stammt aus der Römerzeit
Und überspannt Paduas größten Fluss,
Wo Palladio geboren, zur Architektur bereit,
Empfing früh der Musen großartigen Kuss.

Auch Kopernikus weilte in dieser Stadt
Und Paracelsus lehrte an der Universität,
Wo das Geistesleben ständig Aufenthalt hat,
Es bis heute für keine Forschung zu spät.

Da wirkten selbst Bischöfe in großer Zahl,
Auch der liebe Casanova war schon hier,
Wo alles Kulturaura mit freier Wahl,
Der Kunstsinnige hinkommt mit viel Gespür.

Selbst Legenden haben bis heute ihr Leben:
Antonius' Stimme war angeblich so laut,
Dass Dreißigtausend er konnte Botschaft geben,
Worauf er selbst auf Jesus Christus gebaut.

Doch Leonardo da Vincis Fistelstimme
War hoch und erreichte fast keine Studenten.
Die hörte sich an wie die Stimme der Imme,
Deshalb sollten Studenten den Zustand beenden.

Also bauten sie ihm einen Hochstuhl aus Holz –
Den allerersten Lehrstuhl der Welt.
Bis heute erreichen Worte deshalb voll Stolz
Studierende, wenn man da Vorlesungen hält.

Mein Padua ist schon eine großartige Stadt,
Im Augenblick leider ein wenig vergessen,
Wo die Kultur bis heut' Sitz und Stimme hat,
Weil dort Geist und Kunst eigen' Urwesen.


©Hans Hartmut Karg
2021

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