Viel o Sophie
zum neuen Jahr 2017
Des Dichters Ross, der Pegasus,
macht seinem Meister heu’r Verdruss.
Er hängt im Stall rum, lendenlahm,
lugt unbeteiligt fremd und zahm.
Poet besorgt: »Wo bleibt die Fähre,
die mir nun hülf’, die dumpfe Sphäre
des platten Alltags zu verlassen,
um mich mit Höh’rem zu befassen?»
Doch das Schicksal hat entschieden:
«Du bleibst in diesem Jahr hienieden!»
Enttäuscht, frustriert, beleidigt schier,
nimmt er den Duden ins Visier,
und wühlt voll Zorn im Wörter-All,
bis dass ein Stern, klar wie Kristall,
ihn weist auf ein reales Ziel,
das weit entfernt: das Wörtchen «viel».
Ein kleines Wort nur, ‘s liegt am Rand
des grossen Meers, ein Korn im Sand.
Drum wundert’s ihn, mit welcher Gier
viel Volk sich schlägt hier ums Quartier.
Zu viele sind’s, die vieles wollen,
und nur für sich! Die Andern sollen
sich bitte doch auch mal bescheiden,
und Streit und Zank und Krieg vermeiden.
So fehlt dem Streiten meist der Stil.
Die Frage stellt sich doch: «Wie viel
steht mir denn zu, was ist mein Part?»
Das wäre dann die feine Art!
Doch leider läuft‘s nicht so herum.
«Wir sind zu schwach; als Medium drum,
oh heil’ge Sophie, steh’ uns bei,
erhöre unsere Litanei.»
Markus Bürki