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Gedichte über Kindergedichte - Seite 18


Tischlein deck dich

(Frei nach den Grimm Brothers)

Ein Mann der hatte einst drei Söhne,
die tranken einer Ziege Milch,
zu füttern sie, gab´s oft Gestöhne,
die Ziege war ein rechter Knilch.

Der Älteste führt sie zum Grasen,
an´s Kirchenspiel, wo die Rauke stand,
Hier gab es reichlich Kraut und Rasen,
was uns´re Ziege lecker fand.

Und als er fragt, ob diese satt,
schon führt nach Hause er nun diese,
da meckert die: „Ich mag kein Blatt!"
Drauf sperrt er sie in die Remise.

Und als der Vater, gottvergessen,
zu ihr am Abend nochmal spricht;
„Ach Ziege, reich gab es zu fressen!"
Das Tierchen nun die Stille bricht.

„Ach sag, wovon soll' ich denn satt sein?
sprang nur durch tiefe Gräbelein.
Sag kann man davon wirklich satt sein,
ich fand kein einzig´ Blättelein!"

Da flippt der Alte völlig aus,
ergreift die Knute nun vom Nagel,
jagt seinen Sohn zum Haus hinaus,
reibt ab ihn mit der Peitsche Hagel.

So, das er fleucht, das Weite sucht,
der Vater noch in tobend Grimmen,
den Sohn gar bitterlich verflucht,
wie konnte er ihn so verstimmen?

Am nächsten Tag, der gleiche Gang,
der zweite Sohn treibt nun die Ziege,
behände und am Friedhof lang,
damit sie nur das Beste kriege.

Und als er fragt, ob die Ziege satt,
schon führt nach Hause, er sie froh,
da meckert die: „Ich mag kein Blatt!"
Er sperrt sie ein, nun wohl im Stroh.

Und als der Vater pflichtversessen,
zu ihr am Abend launig spricht;
„Ach Zicklein reich hast du gefressen!"
Das Tier wieder in Meckern bricht.

„Sag wovon soll ich denn nun satt sein?
Sprang nur durch tiefe Bächelein.
Sag, kann man davon wirklich satt sein,
ich fand kein einzig´ Blättelein!"

Der Alte greift erneut zum Stock,
hebt ihn nun an mit heulend Schwingen.
Prügelt den Sohn im Morgenrock,
das mag ihm Tracht und Schmerzen bringen.

Der zweite Sohn verlässt das Haus´.
mit Wut und unter Schmerz und Tränen.
Der Alte stampft zur Stube raus,
um in der Kammer sich zu grämen.

Am nächsten Tag, erneut das Spiel,
der Jüngste hütet nun das Zicklein.
Er führt zum Pfarrhof, es ans Ziel,
wo Kräuter wachsen hell im Lichtschein.

Und als er fragt ob die Ziege satt,
sie fraß der Kräutern gar so viele,
da meckert die: „Ich mag kein Blatt!"
So sperrt er sie nun auf die Diele.

Und als der Vater unterdessen,
zu ihr am Abend wieder spricht;
„Ach Tier, gar reich gab es zu fressen!"
Die Ziege gleich das Schweigen bricht.

„Sag wovon soll ich denn wohl satt sein?
Sprang nur durch knorrig Ästelein.
Sag kann man davon wirklich satt sein,
ich fand kein einzig´ Blättelein!"

Da greift zum Gürtel, der Alte im Wahn
und schwingt ihn mit grimmendem Lärmen.
Dem Sohne zu zeigen, das er nichts getan
und ihm nun den Rücken zu wärmen.

So flüchtet nun auch der jüngste Sohn
und sucht seinen Weg in die Welt.
Die Ziege, die meckert im freudigen Ton,
was selbst dem Vater missfällt.

Nun treibt er die Ziege selbst zur Pfarrei,
damit sie nun Futter wohl findet.
Der Pfarrgarten blüht so bunt jetzt im Mai,
wo er, sie ans Gartentor bindet.

Und als er fragt ob die Ziege satt,
sie fraß von den Blumen gleich neune,
da meckert die: „Ich mag kein Blatt!"
So sperrt er sie ein in die Scheune.

Und als der Vater nachdem er gegessen,
zu ihr am Abend dann spricht;
„Ach Ziege so viel hast du heute gefressen!"
das Tier das Schweigen bricht.

„Sag mir wovon soll' ich denn wohl satt sein?
Sprang nur durch bunte Blümelein.
Sag kann man davon wirklich satt sein,
ich fand kein einzig´ Blättelein!"

Dies hört der Alte mit wachsendem Schauer,
was hat er den Söhnen im Zorn angedacht.
Die Ziege lag wohl mit dem Teufel auf Lauer,
und hatte den Alten zum Narren gemacht.

Er scherrt ihr das Fell und gerbt ihr das Leder,
die Ziege die schreit im Schmerz dieser Tracht,
So rennt gleich herbei, aus dem Dorfe ein Jeder
und schaut was der Alte schon wieder gemacht.

Der lebt nun in Trauer, die Ziege vertrieben,
dazu alle Söhne, von Hofe verjagt.
Nichts ist ihm vom seinem Leben geblieben,
so hockt er nun da, der sich bitter beklagt.

Wie ging es den Söhnen, die fanden Behagen,
in Handwerk und Arbeit, in Heimat und Stadt.
Die würden sich gerne mit ihn wohl vertragen,
der sie ohne Not, vertrieben einst hat.

Der älteste Sohn, der stattliche Heiner,
der war gar stets fleißig, an jeglichem Tag.
Der ging in die Lehre zu einem Schreiner,
weil Holzbearbeitung und tischlern ihm lag.

Und als die Lehre, wohl war bald zu Ende,
bekam er als Lohn, einen einzigen Tisch.
Der war ihm gedacht als edle Spende,
der war gar alt, schon nicht mehr ganz frisch.

Doch lag auf dem Tisch ein glücklicher Zauber,
denn wenn man nur Tischlein deck dich sprach,
stand bald das Essen, fein und sauber,
das seine Fläche, beinah´ brach.

Dann gab es nur die besten Speisen,
gab´s Kotelett, ja und Schweinebauch.
Und um es sich wohl zu beweisen,
von Nouvelle Cuisine, gar einen Hauch.

Auch Wein und Bier stand da im Becher
und manche gute Schinkenwurst.
So strafte Hunger keinen Zecher,
der sich betrank mit großem Durst.

Den Tisch wollt´ er zum Vater tragen,
der ihn dereinst so schändlich schalt.
Nun konnte man sich wohl vertragen,
nun da der Vater auch schon alt.

Zur Nacht kehrt er ins Gasthaus ein,
zu schlafen selig hier im Pfuhle.
Zu essen wagte hier kein Schwein,
im Bett sinkt er in tiefe Kuhle.

So sprach er: „Tischlein deck dich nun,"
lud ein, sie all´ des Wirtes Gäste.
Die griffen zu, wie´s Leute tun,
wenn´s gibt umsonst das Allerbeste!

So ward geschmaust, die halbe Nacht
und manches kühle Bier getrunken.
Des Tisches Mahl, war eine Pracht,
das hat dem Wirt ganz schön gestunken.

Wie gern er diesen Tisch doch hätt´,
sagt sich der Wirt und denkt an Tausch.
Die Gäste gingen bald zu Bett,
wohl manchen träfe schon der Rausch.

Und als der gute Heiner schlief,
da tauscht er aus, sein altes Tischchen,
kurz drauf´, er hoch zum Herrgott rief,
zu beten noch ein kleines bisschen.

Der Heiner merkt vom Tausche nichts,
es drängt ihn eilig nun nach Hause.
So wandert er dem angesichts,
drei tagelang, fast ohne Pause.

Am dritten Tag sieht er beglückt,
das Heim, wo er dereinst geboren,
der Vater ihn mit Freuden drückt,
den Sohn, den er schon fast verloren.

Und Abends dann zur Essenszeit,
soll sich das Tischlein wieder decken,
Mit guter, alter Herzlichkeit,
doch nichts gab es heut´, ums verrecken.

Der Paul, der war der zweite Sohn,
den einst, der Vater jagte fort.
Der fand beim Müller Brot und Lohn,
galt bald als stärkster Mann im Ort.

Und als die Lehrzeit war vorbei,
gab´s einen Esel zum Geschenk.
Das dieser wirklich kostbar sei,
sagt ihm der Müller zum Gedenk´.

Denn Paul, ach sagst du: „Bricklebrit,
so fällt das Gold aus ihm heraus.
Für wahr, das ist ein großer Hit,
so lebst du nun in Saus und Braus´!"

Jetzt will auch Paul nach Hause nun,
die Heimat er schon lang vermisst.
Dem Vater mag er wohl Buße tun,
wenn er die alte Zeit vergisst.

Der Goldesel versöhnt im Streit,
mit Reichtum nun, gar ohne Sorgen.
So wandert er voll Fröhlichkeit,
vergnügt und heiter durch den Morgen.

Am Abend kommt zum Gasthaus er,
wo damals auch Heiner, der Bruder war.
Der Esel trägt der Lasten schwer,
der müd´ und vollbeladen war.

Paul führt ihn schon zum Stall hinein,
dann ruft er: „Bricklebrit!"
Zehn Taler sollen Zahlung sein,
die nimmt er auch gleich mit.

Der Wirt sah dieses, denkt hurra,
schon wieder nur an Tausch,
verwickelt Paul mit viel Trara,
in einen langen Plausch.

Schenkt ein ihm Bier und noch mal Bier,
bis Paul gar doppelt sieht,
den Mond ganz hell, so um halb vier
und dann zu Bette zieht.

Das Grautier tauscht der Wirt nun aus,
mit arger Hinterlist.
Den Paul treibt´s geradewegs nach Haus´,
das er so lang vermisst.

Und als der Paul beweisen will,
das Grautier Taler bringt.
Da bleibt der Esel stur und still,
kein einzig´ Taler klingt.

Der Hans, der Jüngste froh und munter,
des Alten Lieblingssohn für wahr,
der kam bei einem Drechsler unter
und lernte drechseln Jahr um Jahr.

Und als die Zeit gekommen schien,
das er nun diesem nicht mehr diene,
ließ ihn der Meister weiterzieh´n
mit klagend schwerer Trauermiene.

Er gab ihm einen Sack zur Hand,
und drinnen lag ein Stock.
„Der hilft dir weiter mit Verstand
und prügelt manchen Rock.

Will gar an´s Leder dir ein Dieb,
sprich Knüppel aus dem Sack,
der Stock, ihm gleich den Rücken rieb
und prügelt alles Pack!"

So dankt der Hans, dann eilt er schon,
nach Hause heißt sein Ziel,
trägt auf dem Rücken Sack und Lohn.
Das Leben scheint ein Spiel!

Als er des Nachts beim Wirtshaus schellt,
wo gern der Wirt stets tauscht,
der alte Hund, des Wirtes bellt,
weil selig der berauscht.

Und weil der gar betrunken ist,
erzählt er manchen Schnack.
Auch Tisch und Esel nicht vergisst,
schon schielt er nach dem Sack.

Der Hans hört zu mit spitzem Ohr.
„Dich krieg ich schon, denkt er.
Die Gierigkeit, die dich erkor,
die lieb ich gar so sehr!"

Und als der Hans nun schlafen geht,
den Sack wohl bei dem Kopf,
der Wirt alsbald im Zimmer steht,
der arme, alte Tropf.

Schon springt der Knüppel aus dem Sack,
schlägt wild und willig drein.
Bald läuft von Schopf ihm blutend Lack,
das soll ihm Mahnung sein.

„Gibst du mir Tisch und Esel raus,
so hat der Knüppel Ruh´.
Dann hält er ein, wir geh´n nach Haus,
sonst schlägt er weiter zu!"

So zieht der Hans am nächsten Tag
mit Esel, Sack und Tisch.
und angelt weil er gerne mag,
sich fröhlich einen Fisch.

Und als er vor dem Hause steht,
dort wo der Vater wohnt.
Er gleich in dessen Stube geht,
den Vater reich belohnt.

Und auch die Brüder sind noch da,
empfangen gutes Wort.
Man lacht ob des was so geschah,
an ach, so manchem Ort.

Zu essen gab es reichlich nun,
auch Geld war immer da.
der Knüppel konnt´ im Sacke ruh´n,
bis er ´nen Räuber sah.

Die Ziege aber unterdess´,
ward nimmer mehr geschaut,
manch Nacht, da meckert sie noch kess,
das selbst dem Teufel graut!

© Hansjürgen Katzer, Januar 2012
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Der Wolf und die sieben Geißlein

(Frei nach den Grimm Brothers)

Es gab da einmal eine Geiß,
die hatte sieben Kinder gleich.
Die trug ein Fell, das war schneeweiß,
die war an Mutterpflichten reich.

Und als die Geißlein Hunger hatten,
auf Blätter und nach grünem Futter,
das gleich bei Walde wuchs, beim satten
und großen Feld, da sprach die Mutter:

„Der graue Wolf, der bringt Gefahr,
so schließ mir Kinder, gut die Türen.
Und bleibt im Hause, ist das klar?
Sollt´ nicht des Wolfes Atem spüren!“

„Das ist ganz klar, lieb´ Mütterlein,
meckern die Geißenkinder.
Der Wolf kommt nicht zu uns herein
und auch nicht die drei Rinder!“

„Die grasen meist am Brombeerbusch,
dort hinten bei den Buchen.
Die brüllen rum mit lautem Tusch,
die soll´n uns nicht besuchen!“

Die Mutter nun nach Futter sucht,
während die Kinder spielen.
Der Isegrim am Fenster flucht,
um nach ihnen zu schielen.

Schon pocht es an die Eingangstür:
„Ach Kinder ruft die Mutter,
fand grünen Klee über Gebühr
und bring euch nun das Futter!"

Doch klingt der Geißin Stimme rau,
auch hört man´s zweimal husten.
„Du bist der Wolf, bist alt und grau,"
die kleinen Geißlein prusten.

Der Wolf ist sauer, knurrt vor Wut.
„Ich werd´ euch schon erhaschen,
Euch widerliche Geißenbrut,
mit Griebenschmalz vernaschen!“

Die Geißlein aber lachten nur:
„Du spielst uns kein Theater.
Nun geht zurück in die Natur,
du alter Wolfenvater!"

Der Wolf, der kauft sich Kreide nun,
für eine Stimme fein und rein.
Er mag nicht rasten, mag nicht ruh´n,
erneut treibt er sein Stelldichein.

Und wieder klopft zur Tür er an
und säuselt: „Macht mir auf, ihr Kleinen.
Bin eure Mutter, die gewann,
will euch nun geben Hafer, feinen!“

„Du lügst, sprach da ein Geißenkind,
zeig deinen Huf vorm Fenster!“
Am Häuschen rüttelt nun der Wind,
als schüttelten Gespenster.

„Das ist nicht unser Mutter Fuß,
schrie´n sieben junge Geißen,
Der hier ist grau, dir Wolf zum Gruß,
du kannst uns nicht bescheißen!“

Der Wolf drauf hin zum Bäcker läuft,
den Lauf sich weiß zu machen.
Er taucht in Mehl ihn und er säuft,
von Honig und solch Sachen.

Und wieder klopft er donnert an,
die Geißlein nun erschrecken.
Gleich spricht der, wie er sich ersann,
mit süßem Stimmgeblecken.

„Ach, Kinder öffnet mir das Tor,
schaut auch die weißen Füße,
Das Mütterlein, steht doch davor
und bringt euch beste Grüße!"

Nun machten ihm die Geißen auf,
schon sprang er in das Zimmer.
Die Geißlein nahmen es in Kauf
und hatten keinen Schimmer.

Der Wolf sie allesamt nun fraß,
der hielt nicht viel vom fasten.
Das Jüngste, er dabei vergaß,
das saß im Uhrenkasten.

Und als die Mutter heim nun kam,
war groß gar ihr Erschrecken,
konnt´ kein´s der Kinder, brav und zahm,
im Hause noch entdecken.

Das Haus schien auf den Kopf gestellt,
die Möbel auch zerbrochen,
Das macht die Alte nun vergrellt
und schießt ihr in die Knochen.

Sie sucht, sie ruft, mit Wehgeschrei,
sieht man durch´s Haus sie eilen.
Als ob das schon das Ende sei,
so zwischen all den Zeilen.

Da meldet sich das jüngste Kind:
„Mich hat er glatt vergessen,
die anderen, hat ganz geschwind,
der böse Wolf gefressen!"

Und als die Geißin Ausschau hält,
liegt der am Apfelbaume.
Vergessen scheint der Rest der Welt
in seinem schönen Traume.

Des Wolfes Bauch sich fleißig regt,
die Geißlein sind am leben.
Schon wieder eines sich bewegt,
nur eines kann´s hier geben!

Die Geißin jagt im schnellen Lauf,
nach Haus´ und holt ein Messer,
dann schneidet sie den Bauch ihm auf,
dem grauen Geißenfresser.

Die Geißlein springen froh umher,
nun scheinen sie errettet.
Des Wolfes Bauch ist platt und leer,
ans Schicksal nun gekettet,

„Hopp Kinderchen jetzt schnell und fein,
die Geißin drängt zur Eile,
Bringt Felsen mir und Wackerstein,
das reicht für eine Weile.

Und damit füllt sie ihm den Bauch,
näht dann mit groben Faden.
ihm zu, den grauen Balg nun auch,
noch immer sehr geladen!

Und als der Wolf kurz drauf erwacht,
es ihm nach Wasser dürstet,
Auch hat er sich seit gestern Nacht,
die Zähne nicht gebürstet.

So schleppt er sich zum Brunnen schwer,
und dort Labsal zu suchen,
der Bauch der wackelt hin und her,
man hört ihn wieder fluchen.

„Was rumpelt da in mir herum
ich dacht´ das wären Geißlein,
die sind so schwer und stumm
als wären sie aus Stein!"

Und als er sich zu trinken bückt,
stürzt er in kühle Fluten,
sein Spiegelbild ihn kurz entzückt,
das längst nicht mehr im Guten.

Der graue Isegrim ertrinkt,
in jenes Wassers Schwalle.
Bis an den tiefen Grund, er sinkt,
der Brunnen, wird zur Falle.

„Das ist das Ende uns´rer Not,
hört man die Geißlein singen.
Der Wolf ist tot, der Wolf ist tot!"
Die frohen Lieder klingen.

Und wenn sie nicht gestorben sind,
dann tanzen sie noch immer.
Am Brunnen dort im Abendwind,
wohl unter Mondes Schimmer.

© Hansjürgen Katzer, Januar 2012
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Der Stuhl

Säge Axt Leim Zwinge Winkel Hammer LiebeZum Tischler sagte ich ganz cool:
„Ich bringe hier nur einen Stuhl!“
Der Meister mich gleich unterbrach
und zornig zu mir Neuling sprach:
„Ich höre immer nur, nur, nur.
Das ist eine ganz dumme Tour.
Der einfache Stuhl aus hartem Holz
ist eines jeden Tischlers Stolz.

Wissen sie denn, lieber Mann,
was mit dem Stuhl man alles kann?
Er hat vier Beine, einen Sitz und Lehne,
was ich gerne jetzt erwähne.
Man kann ihn kaufen, stehlen, schenken lassen
oder auf dem Sperrmüll fassen.
Ein Stuhl ist roh, gebeizt, lackiert, gestrichen,
wobei die Farbe oft verblichen.

Man kann drauf sitzen, knien, liegen oder steh’ n,
meist nach allen Seiten seh’ n.
Viele, die mit ihm kippeln und wippen,
oftmals auf den Rücken kippen.
Bei einem Bein kann man etwas unterlegen
oder drei Beine kürzer sägen.
Er lässt sich tragen, schieben, greifen, packen,
letztlich mit der Axt zerhacken.

Man kann ihn sogar balancieren,
was gerne die Clowns vorführen.
Wird man von Feinden gehetzt,
bekommt man ihn vor die Tür gesetzt.
Hält ihn Leim nicht mehr zusammen,
müssen Schraubzwingen ihn rammen.
Und den weißen Holzkaltleim
findet man fast in jedem Heim.

Stuhlwinkel darf man dann schrauben,
wenn die Stärken es erlauben.
Mit dem richtigen Hammer
nutzt man Nagel, Keil und Klammer.
Die Frauen dürfen Stuhl Hussen nähen
oder sich auf passenden Kissen drehen.
Gepolstert wird seine Sitzplatte,
wenn er Schiefer oder Löcher hatte.

Ohne Filz werden die Stuhlbeine wie Katzen
jeden Fußboden hauchdünn zerkratzen.
Zerfallen darunter langsam die Dielen,
kann man sich schnell mal auf der Erde sielen.
Auf den Sitz darf man keine nassen Schwämme legen
oder gar am Stuhl Bein sägen.
Kinderstühle sind als Eisenbahn oder Bus
ein singender Weltreisehochgenuß.

Mit Stühlen kann man große Kirchen füllen
und manchen Sitzplatzwunsch stillen.
An jedem Stuhl ist eine Lehne dran,
damit man sich entspannen kann.
Früher war sie handgeschnitzt,
damit man auch recht grade sitzt.
Jeder braucht ihn von München bis Suhl
und da sagen sie, es ist nur ein Stuhl!“

10.12.2016 © W.R.Guthmann
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