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Gedichte über Fantasie - Seite 397


Graf Laurin

"Vor vielen Jahren, so geschrieben,
tat ein Graf bei seiner Gräfin liegen.
In zarten Stunden, gar nicht bangen,
hat sie von ihm ein Kind empfangen.

Ein böses Weib kam in die Halle
und stellt' der Gräfin eine Falle.
Sie sprach: "Ich trag der Heilerinnen Tracht,
hab' schon viele Bälger zur Welt gebracht"
Keiner spürte die Gefahr,
dass sie 'ne echte Hexe war!

So kam das Kind gesund ins Leben,
doch statt der Gräfin ihren Sohn zu geben,
ward sie von der Hexe umgebracht
und das Kind geworfen in die kalte Nacht.
Der Graf erhielt die traurige Kunde,
dass Frau und Kind in jener Stunde
gestorben waren. Er klagte und hielt Totenwacht.

Doch die Köchin in der Kammer
hörte lautes Wehgeschrei,
raffte die Schürze und folgte dem Jammer,
fand das Kind und eilte herbei.
"Du armer Kleiner, bist du verletzt?
Hat dich deine Mutter ausgesetzt?
Still, still mein Schatz, in meinen Armen,
ich werde deiner mich erbarmen.
Laurin, dich hab ich vernommen,
hast heute eine neue Mutter bekommen."
So nahm die Zeit wohl ihren Lauf
und Laurin wuchs als Sohn der Köchin auf.

Durch der bösen Mächte Bann
wurde der Graf der Hexe Mann
und kaum ein Jahr nachdem die Gräfin verschieden,
tat sie einen Sohn im Arme wiegen.
"Ralf", sprach der Graf, "du sollst allein
Erbe meiner Grafschaft sein."

So wuchsen beide Knaben heran
und ein jeder von ihnen würde zum Mann.
Laurin ein Knecht und Ralf des Grafen Sohn,
der Graf und sein Land der Hexe Lohn.
Doch suchten der Graf und Ralf im Krieg ihr Glück,
doch ach, der Graf kehrte nicht zurück.
So betrauerte der Hexe Sohn des Vaters Sterben,
und wurde schnell zu seinem Erben.

Die Hexe suchte ihrem Sohn
eine Jungfrau, rein und schön,
die obendrein auch reich noch war.
Ihre Wahl fiel schnell auf Julika,
deren Vater stark und mächtig,
mit Ländereien, groß und prächtig.

So kam denn Julika zum Hof,
doch ach! Sie verabscheute den Ralf!
Grobschlächtig und ungehobelt,
laut, grausam, ein Säufer vor dem Herrn!
Nein, sie hielt sich lieber fern
und schlich durch alle fernen Ecken
auf der Suche nach Verstecken.

Auf einer Pirsch sie Laurin sah
und ihr Herz, es tat zerspringen!
Dacht, wie sie ihm käme nah,
oh, wie tät es ihr gelingen?

Auch Laurin packte diese Glut,
er nahm zusammen allen Mut,
vergaß seiner Stellung schweres Los
und stahl sich manchen scheuen Kuss.

Nicht lang danach, im Mondenschein,
trafen sie sich still zum Stelldichein.
So ward Julika in dieser Nacht
von Laurin um ihre Jungfräulichkeit gebracht.
Doch ach! Auch wenn sie's taten ohne Zeugen,
blieb diese Nacht nicht ohne Folgen,
doch noch konnte Julika 's verbergen
vor Ralf und seiner Mutter Schergen.

Sie tat es Laurin heimlich kund
und die beiden flohen in nächtlicher Stund'
hinaus zu den Wäldern, auf namlosem Pfade
zu einer kleinen, heimlichen Kate.
Doch ach! Auch dort fand sie der Hexe Bann,
ein Fluch, der langsam sich das Leben nahm,
sodass, ach welche Not!
Julika lag da, wie tot.

Und Laurin, der Verzweiflung nah,
machte sich auf für Julika,
suchte nach den weisen Feen,
die kein Auge je gesehen,
dass sie Julika könnten erretten
und erlösen von den Ketten.
So viele Tage tat er sich plagen
und war drauf und dran ganz zu verzagen.

An einer lichten Waldesstelle
nahm er Platz an einer Quelle
und von Erschöpfung übermannt,
sank er hinab ins Schlummerland.

Mitten in der tiefsten Nacht
war er plötzlich aufgewacht
und sah im hellen Mondenschein
drei reine, weiße Jungfräulein.
Er sprach: "Wer seid ihr, holde Maiden?
Seid ihr die weisen Kräuterfeen,
die kein Auge je gesehen?"

Die Erste sprach: "Wir zeigen uns nur dem,
bei dem ein reines Herz wir seh'n.
Selten ist's bei Grafensöhnen,
doch bei dir, es ist gescheh'n!"

"Ich, ein Graf? Nein, edle Damen,
eine Köchin gab mir Namen,
Leben, Heimat, Essen;
ich und edel? Könnt's vergessen!"

Sogleich hub an die zweite Maid:
"Horch, vor einer langen Zeit
kam eine Hexe zu dem Grafen,
wollt' mit ihm schlafen,
um zur Gräfin zu werden.
Die echte Gräfin musste sterben,
ermordet, nachdem sie dich zur Welt gebracht,
und du, geworfen in die kalte Nacht.
Doch die Köchin tat dich finden
und dich in ihr Herze binden.
So einzig du, und du allein,
solltest Erbe dieser Grafschaft sein."

"Nimm dieses Messer," sprach die Dritte,
"es ist aus Silber. Damit töte
die Hexe, so zerbricht ihr Bann,
der alles vergiftet, Haus und Mann.
So wird auch Julika erlöset werden
von ihrem langen, langen Sterben."

Als Laurin die Waffe an sich nahm,
ein Nebel von der Quelle kam,
hüllte ihn ein, verhüllte den Ort,
verzog sich, und die Feen war'n fort.

Mit des Windes schnellen Schwingen
kehrte er heim, um zu vollbringen
jene blut'ge, schwere Tat.
Unbemerkt von allen Schergen
tat er sich in der Burg verbergen,
trat an die Hexe heimlich heran,
als sie vollführte einen Zauberbann.

Die Funken stoben hoch zum Himmel,
brodelnd wallte schwarz der Sud
und die Hexe in Ektase
tanzte um die rote Glut.
"Hab ein Kind von einem Grafen,
hab ermordet Frau und Kind,
hach, der Teufel ist im Manne,
wenn er liebt, dann ist er blind!
Es genügt nur schöner Schein
und mein Sohn wird König sein!"

Da sprang Laurin rasch herbei,
hieb den Zauberstab entzwei
und stieß, voll der Rache Lust,
den Dolch der Hexe in die Brust.

Zugleich fiel ab der böse Zauber
von allem Land, Mann, Frau, Kind,
und Laurin trat nun an sein Erbe.
Julika, die bald gesund,
wurde Gräfin und gebar ihm einen Sohn,
und Ralf, der blieb in Brot und Lohn."
So endet der Tag, so endet die Stund'
und das, was bleibt ist Narrenmund.
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Fabelhafter Mut

Es schritt erbost der Isegrim
An seinem Zaun entlang, ergrimmt,
weil seine Nachbarn ohne Zagen
ihr Lebensglück selbst in die Hände nahmen.
»Ihr Swinegel», grollt Isegrim, habt mich gekränkt.
So will ich länger nicht mehr dulden
Dass euer Land bleibt ungeschunden.
»Es kann nicht sein, Herr Isegrim, dass du dich
Schwer beleidigt fühlst, nur weil wir selbst
entschieden haben, dass wir unsrem Leben die Freiheit gaben.
Jetzt Isegrim die Zähne fletscht, sein Knurren
laut die Luft zerfetzt. Doch seine Nachbarn
leben weiter, ganz unerschüttert suchen sie Begleiter,
die ihnen ihre Hand darreichen.
Wie Isegrim erkennt die Ritter, so wird er wild,
tobsüchtig und bitter. Mit Heulen und mit Wutgebärden
ruft er Sibirische Meuteheere und treibt sie an der
Swinegels Zaun.
»Du ,Isegrim, hast hier kein Recht,
denn unser Volk wird nie dein Knecht.
Bleib du in deinem Herkunftsland, wir bleiben frei
Und nicht verwandt mit deiner grauen Wölfeschar."
Nun sträubt er borstig Nackenhaare, die Augen flackern
irre, beinah bizarre, und seine Muskeln sind gespannt.
Im Geist erschuf er neuen Trug.
Geschickt versteckt er List und Lug,
die seine mörderischen Gesellen
in Interviews heimtückisch in jede Richtung bellen.
Und in der Morgenröte dann, fängt Isegrim zu kämpfen an.
Schlägt rein die Pfote ins Nachbarland
Wo er Schutzlose nimmt als Pfand.
Womit er nicht gerechnet hat, ist Swinegels großer Widerstand.
Gemeinschaftlich rollen sie sich zusammen,
versperren Wege, baue Damme mit ihren Stacheln
meterlang.
Wutschnaubend tobt der Isegrim,
Das Blut von seiner Schnauze rinnt,
sein Blitzkrieg keinen Sieg gewinnt.

Wer Macht und Gier sein Eigen nennt,
brutal der Anderen Freiheit hemmt,
der soll, auch wenn die Waffen klirren,
den Mut der Unterdrückten spüren.




















SDR
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