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Gedichte über das Alter - Seite 114


Fluss des Lebens

Wäre das Leben ein Fluss, würden wir alle einer Quelle entspringen.
Jeder von uns wäre ein Tropfen und das Leben würde uns stromabwärts bringen.
Wir wären weit oben gewesen und es treibt uns stetig bergab.
Doch über die Tiefe des Lebens hätten wir uns nie Sorgen gemacht.
Wir fließen mit der Strömung, fließen oft hinab und selten hinauf.
Aber so wäre nun mal unser Lebenslauf, denn für unser Ziel nehmen wir alles in Kauf.

Jeder möchte ein Meer sein und wir Menschen wollen immer mehr sein.
Auch ich wollte als Tropfen immer ein Meer sein, dachte immer das kann ja nicht so schwer sein.
Ich lernte zu schwimmen, schneller zu schwimmen, schneller als die Anderen zu schwimmen.
Ich ließ mich keine Sekunde lang treiben, sondern musste mich immer mehr trimmen.
Ich sah einige, die gegen die Strömung schwammen und kämpften mit allen Kräften,
verstand nur nie den Grund, aber ich selbst hatte nie einen Grund.
Ich machte immer das, was ich will, was ich wollte. Stand niemals still, obwohl ich es sollte.
Und heute? Heute weiß ich, dass ich viele Menschen eingeholt hab, einige überholt hab, was ich nicht gewollt hab.
Manche von diesen Menschen werde ich nie wieder sehen, weil wir nicht mehr zusammen im Fluss des Lebens leben.
Ich hab so viel Kraft beim schwimmen verbraucht, sodass ich selbst immer wieder in die Tiefe abtauch, weil ich dachte, dass ich das zum Leben brauch.

Du warst genauso wie ich, ein Tropfen der zum Meer wollte, sich vor keiner Meerenge scheute und am Ende das schwimmen bereute.


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