Nicht gesucht, aber gefunden
Den ganzen Tag konnte ich fast ruh’ n,
es gab arbeitsmäßig nicht viel zu tun.
Wenig Kundschaft in unserem Laden
mit Artikeln zum Duschen und Baden.
Doch als ich dann zur U-Bahn gerannt,
ich auf dem Weg einen Schlüssel fand.
Ich schaute ihn mit Brille zweimal an,
ob nicht etwa ein dünner Faden dran.
Solche Spiele mit Schlüssel oder Geld
in die Kategorie Kinderspiele fällt.
In Gedanken in die Tasche gesteckt,
den Schlüssel bei der Fahrt neu entdeckt.
Ich sah das schmutzige Ding mir an
und holte Papier vom Papierkorb ran.
Den Schlüssel rieb ich schön sauber,
denn nun begann der umwobene Zauber.
Gesäubert, geputzt und blank gerieben
habe ich ihn mir selbst beschrieben.
Lang und dünn mit einem eckigen Bart,
der viele Stufen nach beiden Seiten hat.
Der Schaft ist dick und hohl ausgebohrt,
damit pfeifen die Kinder im und am Ort.
Wir waren einst auf der Suche nach ihnen,
sie mussten unseren Experimenten dienen.
Mit abgekratzten Streichholzkuppen
erschreckten wir die Mädels samt Puppen.
Das Schlüsselrohr damit voll gepfropft
und dann einen Nagel hinein gestopft.
Der Nagel an einer Schnur hing,
damit er nicht verloren ging.
Der Schlüssel hing wie eine Wippe
an der langen Schreckschußstrippe.
Der Schlüssel mit dem Nagel gekreist,
bis er an die Hauswand schlug, meist.
Ob ein Funke oder der Druck danach,
die Explosion machte jedenfalls Krach.
Um heutzutage diesen Radau zu machen,
gibt es doch ganz andere, lautere Sachen.
Der Schlüssel roch nicht Mal nach Rauch
und schien noch regelmäßig in Gebrauch.
Aber zu welchem Schloss könnte er passen,
ich musste meinen Geist schweifen lassen.
Auf dem ovalen Ring stand ein Name,
doch ich mache hier keine Reklame.
Stünde dort etwa „Franz Jäger Berlin“
würde es uns zu Egon Ohlsen zieh’ n.
Der kannte von seinen erfolglosen Messen
aller dieser Tresore die Besitzeradressen.
Doch mit diesem langen Firmenzeichen
verband ich nur Waffen und dergleichen.
Ich rief bei Banken an, auf Auskunft pochend
die sagten nur: „Die Sache ist zu kochend!“
Der Heimweg führte mich über den Rhein,
da warf ich den Schlüssel kraftvoll hinein.
Am nächsten Tag in der Zeitung stand,
dass hier ein Banküberfall statt fand.
Die Kassiererin warf über den Gangster
den Tresorschlüssel aus dem Fenster.
Da durfte dem Schlauen die Idee reifen,
hoffnungslos die Flucht zu ergreifen.
„Der Finder sollte bitte danach streben,
den Schlüssel schnell bei uns abzugeben.
Weil sie jeder unserer Mitarbeiter bediene,
steht im Tresor unsere Kaffeemaschine.“
15.09.2013 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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