Lob der Lyrik
Ein Gedicht von
Micha Schneider
Der Erde Sprachen sind Legion.
Wer könnte alle sprechen schon?
Da gibt es Englisch und Chinesisch,
Urdu, Hindi und Burmesisch,
Navajo, Deutsch und auch Zulu –
kein Rind versteht die andere Kuh.
Der eingestürzte Turm zu Babel
bewirkte, daß ein jeder Schnabel,
nachdem das Monument zerbrach,
sofort mit fremder Zunge sprach:
Man sagt, der Turmzerstörer namens „Gott“
sei schuld, daß wir heut’ alle polyglott.
Von Tokio, London bis Bad Gnomen
spricht man in fremden Idiomen.
Auf allen Schiffen, Booten, Nachen
hört man zigtausend fremde Sprachen.
Trotz allem reimt man länger schon
von Sydney bis nach Lissabon.
Ein Dichter, den geküßt die Musen,
weil die gern mit den Dichtern schmusen,
schreibt Verse nur, wenn er erkennt
sein angeborenes Talent,
die Worte so zu formulieren,
auf daß sie prächtig harmonieren.
Berühmt ist Lyrik ob der Reime,
mal witzig, ernst, oft auch Geschleime.
Die Lyrik heißt auch Poesie:
Wer sie nicht hat, bekommt sie nie,
denn Dichtkunst kann man nicht erlernen –
sie ist ein Glücksfall mit fünf Sternen!
Oft dient als Fallbeil sie dem Dichter,
macht ihn zum gnadenlosen Richter,
doch öfter kann man mit Gedichten
auch salomonisch weise richten
Dann bleibt der „Delinquent” am Leben –
laßt uns darauf die Gläser heben!
© Micha Schneider
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