Krieg

Ein Gedicht von Klaus Lutz
Nachts steht sie an der Strasse. Ich gehe da,
hin und wieder, vorbei. Ich kenne Sie. Ich
weiß, wie sie lebt. Ich weiß, wie sie denkt.
Ich weiß, wie sie über ihre Familie redet.
Ich weiß, sie hat Kinder. Ich weiß, wie sehr
Sie diese Kinder liebt. Ich weiß, wie sehr
Sie nach Arbeit sucht. Ich weiß, wie Sie
alles machen würde: „Putzen! Kochen!
Bügeln! Büros reinigen!“ Alles, was sich
da anbietet. Aber es gibt nichts. Und ich
denke mir: „Sie hat verloren! Und die Welt
hat verloren! Und jeder Mensch hat verloren!“
Es ist Krieg!

Nachts steht sie an der Strasse. Hin und
wieder, rede ich mit Ihr. Sie erzählt dann:
„Von Firmen, wo sie gearbeitet hat! Die
aber Pleite gegangen sind!“ Von Familen,
wo Sie gearbeitet hat: „Wo aber kein
Geld mehr da ist!“ Von Tagen, wo sie
durch die Strassen läuft. Menschen nach
Arbeit fragt. Von Tagen, wo sie Anzeigen
in Supermärkten anbringt. Und, wo sie
alles probiert um Arbeit zu finden. Und ich
denke mir: „Etwas läuft falsch! Sie steht
am Abgrund! Die Welt steht am Abgrund!
Jeder Mensch steht am Abgrund!“ Es ist
Krieg!

Nachts steht sie an der Strasse. Und, diese
Frau bringt mich zum Grübeln. Dieses Leben:
„Wie ich sie kennen gelernt habe! Wie sie
richtige Arbeit hatte! Und immer gelächelt
hat!“ Wie sie kleine Geschenke kaufen
konnte: „Für Kinder und Freunde!“ Und wie
beliebt sie war. Aber etwas ist falsch gelaufen:
„Firmen sind ins Ausland gegangen! Reiche
zahlen keine Steuern mehr! Und die Politik
ist blind!“ Und ich denke mir: „Das ist alles
ohne Sinn! Damit stirbt Sie! Damit stirbt
die Welt! Damit sterben alle Menschen!“
Es ist Krieg!

(C)Klaus Lutz

Informationen zum Gedicht: Krieg

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31.07.2014
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