Im Nebelwald
Ein Gedicht von
Annelie Kelch
Die Nebelfrau streift durch den Wald,
trägt graue Pluderhosen.
Ich kam vom Weg ab
und geriet in ihre Näh'
mir wurde augenblicklich
klamm von Kopf bis Zeh
und unbeschreiblich eng
ums bange Herzchen.
Ihr Haar hing meterlang herab,
war weiß wie Schloh,
ich fürchtete und ekelte mich so,
mir wurde bang und bänger.
Keine Sekunde länger
wollte ich sein
in diesem nebelig verhexten Hain,
vom Turme schlug es obendrein
schon Mitternacht,
als eine Strähne ihres Haars
auf meine Wange fiel.
Ich schrie und weinte Ach und Weh -
indes, da war kein Mensch,
der mein Lamento hörte – ich störte
lediglich im Schlaf die weise Eule,
die fragte neugierig, weshalb in
Gottesnamen ich dermaßen heule.
Ich sprach: Die Nebelfrau streift durch den Wald,
trägt graue Pluderhosen.
Ich kam vom Weg ab
und geriet in ihre Näh'.
Das macht, weshalb ich heule.
Ich zeigte ihr die Beule
an meinem Kopf und sagte:
Schau, man sieht den Wald
vor lauter Nebel nicht und
stößt sich an den Stämmen wund.
Die Eule sah mich lange an und
drehte ihren Kopf um 180 Grad,
plusterte sich gewaltig auf und sprach:
Mein Kind, ich sehe keine Nebelfrau,
was auf den Bäumen
liegt, ist Morgentau.
Wach auf aus deinen Träumen.
Ich kniff mich in den linken Arm:
es schmerzte – ich erwachte,
blickte zum Fenster 'raus:
Die Luft war klar und über
Türm' und Dächern ging
die Sonne auf – und lachte.
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