Geliebter Hexenmeister
Ein Gedicht von
Annelie Kelch
Habt noch Geduld … der Winter
steht schon an der Landesgrenze
und zollt Tribut dem Frühling,
der die Ouvertüre summt.
Paar Wochen noch – dann ist
sein kaltes Lied verstummt,
und Sonnenstrahlen zeigen sich
– verschwenderisch – in Gänze.
Im Frühling blühen nächtens goldene Sterne ...
und in den Wäldern hüpfen junge Stare leicht
von Ast zu Ast: Das wärmt die kalten Füße.
Ein Meisenmännchen sucht sich eine blaue Süße.
Aus weißen Segeln bläst verschämt die Wintertrauer,
wie aus dem Ei geschlüpft: ein klitzekleiner Wind.
Mein Lieb hockt staunend auf der Gartenmauer,
blinzelt ins rote Abendlicht, als wär er farbenblind.
Wie trunken lallt mir meine Seele tausendstimmig
den Chor aus bunten Blumen, die am Weg erwachen.
Und in den Städten gluckst schon zaghaft Kinderlachen:
Noch paarmal schlafen, und die Brünnlein springen wieder.
Über den Bauerngärten flattert schon der Duft von Flieder.
Mein Lieb sitzt an des Flusses Ufer, lauscht hernieder ...
will wissen: Singen überm Wasser schon die Geister?
O nein! Es webt am bunten Frühlingskleid noch Ganymed*,
der Schönste aller Sterblichen: geliebter Hexenmeister.
*Ganymed: in der griech. Mythologie „der Schönste aller Sterblichen“. Er wurde allein wegen seiner Schönheit von Zeus geliebt, der ihn zum Olymp entführte, wo er fortan den Göttern als Mundschenk diente.
J. W. von Goethe widmete ihn ein Frühlingsgedicht: „Ganymed“.
Der Hexenmeister, auch Zauberer und Drache, ist der Titel zweier Gemälde von Carl Spitzweg, die 1875 und 1880 in Öl auf Leinwand entstanden. Sie befinden sich heute im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt und im Besitz der Kunstsammlung Rudolf August Oetker GmbH in Bielefeld. Die Bilder sind im Motiv nahezu identisch und unterscheiden sich in der Größe und in der Farbgebung. Quelle: Wikipedia.
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