Geisterwald

Ein Gedicht von Torsten Hildebrand
Als sie in die Föhren fuhren
und am Waldrand Kuchen buken.
Vernahm man bald, ein mürrisch murren;
und tausend Schwingen schlugen:
Messerscharf und schneidend kalt.
Schon kamen Gerippe aus dem Wald.

Die waren hungrig und uralt.
Jedes klappert in Gestalt,
mit Näpfen, die so löchrig waren,
das man nichts konnte aufbewahren,
in den Nebelglasbehältern.
Näher rückt es aus den Wäldern.

Näher rückt es aus dem Forste
und es rummste und rumorste,
als würden Sümpfe: braten, brodeln;
und alle Frösche: alpisch jodeln.
Ach, die Föhren sich schon ducken.
Knochen kommen. Riechen. Gucken.

Jetzt langt eine Knochenhand,
in den Knusperbraunen Kuchen.
Die bis zur Schulter drin verschwand.
Und dann ganz. - Es kam kein Seufzer Fluchen.

Jetzt geht die schlotterweisse Masse,
so nach und nach, ganz in den Kuchen.
Der liegt wie eine Schlossterrasse,
dampfig, breiig, noch im Wege.
Stille Augen schauen träge,
als wollen sie Verständnis suchen.

Und sie rannten rennend runter:
den Braunbesäumten Waldespfad.
In den Beinen brennt sehr ein zischend Zunder,
das jeder Schuh ein rasen hat,
wie des Teufels Sturmgebraus.
Und niemand denkt an finstren Schmaus.

Das Topfgebäck ist unversehrt,
als hätt es nichts, gar nichts gehört.
Man hörte nur noch: atmen, schnaufen,
von denen, die dem Wald entflohen.
Schon war es, ein sehr ruhiges laufen.
Kein Knochen tat mehr drohen.

Und lange wurde schwer geschwiegen,
bis es wurde aufgeschrieben.
Der Kuchen bleibt auf ewig liegen:
und ist bis heut nicht aufgerieben;
in jenem Föhren Geisterwald;
und ist wie ein Gerippe alt.

Informationen zum Gedicht: Geisterwald

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21.05.2012
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