Du schreibst um zu vergessen [Völkermord an den Juden im KZ während des 2. Weltkriegs]
Ein Gedicht von
Marcel Strömer
Du schreibst um zu vergessen
was Leben beschmierte
schwarznachte Schrift
im zittrigen Gewand
sitztend über einem Traumbuch
Blätter gefalteter Hände
fallen Generationen
als Buchstabensuppe
über geläutertes Papier
Warum mußten sie sterben?
Ihr Blut gebräunt
im Wegeskreuzesfluch
Symbol ihres Anfangsendes
In luftleerer Raumesenge
balancierten Totgeschwitzte
Kalte, eiskalte Nachtblume
starr gebeugt im Moseblut
Millionen Leiber in der Sechs
zermalmt und verraten
Nicht Judas küsste bitterer
Todesküsse zu Alltoden
Sie waren es - Wir
ihre Worte widerspenstig
uns folgten sie
Du schreibst nur um zu vergessen
von Felder aus Stahl
Bettenknochen und Schüsseln
Sie sind es - sie selbst,
die hohle Phrasen droschen
dir Stacheln ins Blutmark
ungeniert hineinbohrten
Sie begruben Gesichtsstirn
Schleier und Lebenssinn
Deine Lieder erklingen
nie wieder so wie damals
klingen
nach hoffnungsfrohem Falsch
Juda - du große Familienbande
Oh verflucht sei mein Schicksal
Wir-Euch die Euer-Wir verloren
durch Blindheit geschlagene Löcher
im toten, leeren Meer
Wellen von zerbrochenem Glas
Gas
Fausthiebe an jedem Ufer
ins Wasser gestürtzer Heiland
Du bist es, verbrannt im Lager
verbrannt die heiligen Bücher,
Hast alle Sterne verloren
allen Glanz
alles Erträumte deiner Tage
Erloschen
wurdest du zu Aschenopfer
sieh
noch Weinende jetzt,
im Heute
In den Gräbern stillstumm
wüten jene Zeugen
deiner endlosen Blutspur
sammeln Evas Schatten
die Anklageschrift
zur Rettung
deines verlorengegangen Paradies
© Marcel Strömer
(Magdeburg, 25.09.2007)
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