* Die Sixtinische Madonna. Fragen zur Mutter Gottes vor dem Weihnachtsfest.
Ein Gedicht von
Horst Hesche
Sehr viele Menschen feiern und beschenken sich
anlässlich der Geburt ihres Kindes.
Doch wer denkt dabei noch an Jesus Christus?
Und wen int'ressiert eventuell gar seine Mutter?
Wer war sie, wie könnte sie gewesen sein?
Gar viel Gemälde wurden für sie geschaffen.
Ich erinn're mich noch an die erste Begegnung
1955 mit einem der schönsten Kunstwerke
von Raffaelo Santi aus den Jahren 1512/13,
die ich in Berlin hatte.
*
Der Anblick der heiligen Maria brachte uns zum Schweigen.
Es schien, als glitte sie aus himmlischen Gefilden zu uns herab.
Wie jung und schön sie war!
Nur zwei, drei Jahre älter als wir selbst!
Sie schritt herab und ihr Kopftuch
wölbte sich durch einen sanften Windhauch.
Ganz schlicht in ein blaues Tuch war sie gehüllt,
das angenehm in Falten ihren schlanken Körper schön umfing!
In den Armen trug Maria ihren kleinen Sohn Jesus, dessen Gesichtszüge andeuteten, dass er nicht gerade aus dem Paradies gekommen war.
Er neigte sich vertrauensvoll zu seiner Mutter.
Ich hatte ein liebevolles, freudiges Lächeln der Madonna erwartet,
doch leider, die heilige Maria blickte nur recht ernst voraus.
Was war in ihrem Leben vorgefallen?
Als ich dann näher trat, erblickte ich die vielen Engelsgesichter,
die Maria rings herum umgaben.
Auch zwei mir Unbekannte standen ihr links und rechts zur Seite.
Jetzt erst gewahrte ich, das Maria barfuß uns entgegen schritt.
Das brachte sie mir noch viel näher,
da auch wir im Sommer alle barfuß liefen.
Doch, war das für sie nicht sehr gewagt?
Wusste sie nicht, dass der Weg sehr oft
auch über Dornen und scharfe Steine führen kann?
Dennoch – ich war von ihrem Charme,
der Harmonie, die in diesem Bildnis lag,
sehr berührt.
Es war die Mutter mit ihrem Kind,
ein Augenblick der Zuneigung,
des Mutes, mit dem die junge Frau in ihr neues Leben eintrat.
Mit Ehrfurcht im Herzen verabschiedete ich mich,
doch ein paar Fragen trug ich mit mir mit.
*
Es war wohl etwas Göttliches, was ich gesehen hatte.
Die Begegnung klang noch lange in mir mit.
Mir war, als hätte ich das „Ave Maria“
mit allen meinen Sinnen wahr genommen!
Nur eine Frage ist mir geblieben:
Wer war die Frau?
Sie hatte einen Gott geboren!
Doch selbst die Bibel gibt darauf keine Antwort.
(Vielleicht auch, weil sie eine Frau war?!)
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