Die Rollatoren.

Ein Gedicht von Christine Biermann
Man kennt sie die Alten,
ich meine die ganz Alten, die, wenn sie an die Luft gehen wollen,
mit ihrer Körperlast auf vier Rädern rollen.
Festgehalten an den Griffen,
die dem Gleichgewichte nützen, um sich sicher drauf zu stützen.
Das durchdachte Ding lässt sich faltend transportieren,
erlahmte Kräfte aktivieren.
Im Notsitz verschnauft, kann man wieder erstarken,
überall, zu jeder Zeit auf einer Briefmarke parken.
Nun denn, wer diese Spezies gesehen hat -
und selber schon der Achtzig naht,
überdenkt seine Befindlichkeiten,
sieht sich noch fit, und ist bei weitem
nicht gewillt, sich so der Öffentlichkeit zu präsentieren,
er sträubt sich, will mit dem Stock kaschieren,
was noch aussieht wie flanieren.
So gesehen, mein geliebter Gatte,
dem ich widersprochen hatte,
und….weil ich ihn auf dem Catwalk sehen wollte,
er grollend mit den Augen rollte.
Ich, mit Arthrose, noch halbwegs gesund,
gab es auf, hielt lieber den Mund.
Eines Tags, als wir in Hamburg waren-
und wir keine einzige Bank dort sahen,
das Auto geparkt in weiter Ferne,
da hätte er sich gesetzt so gerne.
Peinlich musste er mich dann bitten,
worüber wir so oft gestritten:
„ Schau` ins Internet geschwind,
wo Rollatoren zu haben sind.“
Gut, das Ding stand dann viele Wochen,
darüber wurd` kein Wort gesprochen.
Als ob er`s nicht selber wüsste`,
gar wackelig ist schon sein Gerüste,
die Statik labil und brüchig,
der ganze Stolz ist überflüssig.
Nun bekennt er sich endlich, der Skorpion,
zu den Griffen am Rolli, die halten ihn schon.
Meist sind die Räder schneller als er,
dann muss er schleunigst hinterher,
um wieder Sicherheit zu gewinnen:
Das Spektakel des Rollators kann beginnen.

Informationen zum Gedicht: Die Rollatoren.

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11.04.2022
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Christine Biermann) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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