Die nackten Statuen

Ein Gedicht von Heinz Säring
Im Sommer im Stadtpark, die Sonne schien schön. -
Standbilder aus Stein, die sich jeden Tag sehn.
Sind beide ganz nackt, niemand weiß so genau,
wer sind sie? Doch sieht man: Ein Mann, eine Frau.

Zu ihm fällt mir gar nichts besonderes ein,
die Dame, das könnte die Helena sein.
Wer wird sich schon heute mit so was befassen?
Nur Tauben, die haben ihr Werk hinterlassen.

Sie stehn gegenüber. die Frau und der Mann
auf je einem Sockel, und gucken sich an.
Seit hunderten Jahren stehn sie hier zu zwein,
das muss ja wohl irgendwie langweilig sein.

Doch heute, da schwebte ein Engel herbei, -
erweckt sie zu Fleisch und zu Blut alle zwei!
"Für fünfzehn Minuten vom Steine befreit,
nun macht, was ihr wünschtet seit ewiger Zeit!"

Die beiden verschwanden im dichten Gebüsch,. . .
ein Flüstern, ein Rascheln, ein Lüftlein weht frisch.
Der Engel, der war es noch gar nicht gewärtig, -
nach sieben Minuten, da waren sie fertig!

"Ihr habt jetzt noch Zeit, die euch frei steht zur Wahl,
und, wenn es euch freut, macht es ruhig noch mal!"
"Ach ja", spricht die Schöne, um Mut zu beweisen,
"Jetzt hältst du die Taube, und ich werd drauf scheißen!"

Informationen zum Gedicht: Die nackten Statuen

1.693 mal gelesen
(Eine Person hat das Gedicht bewertet. Der Durchschnitt beträgt 5,0 von 5 Sternen)
-
10.10.2011
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige