Der Wolf und die sieben Geißlein

Ein Gedicht von Hansjürgen Katzer
(Frei nach den Grimm Brothers)

Es gab da einmal eine Geiß,
die hatte sieben Kinder gleich.
Die trug ein Fell, das war schneeweiß,
die war an Mutterpflichten reich.

Und als die Geißlein Hunger hatten,
auf Blätter und nach grünem Futter,
das gleich bei Walde wuchs, beim satten
und großen Feld, da sprach die Mutter:

„Der graue Wolf, der bringt Gefahr,
so schließ mir Kinder, gut die Türen.
Und bleibt im Hause, ist das klar?
Sollt´ nicht des Wolfes Atem spüren!“

„Das ist ganz klar, lieb´ Mütterlein,
meckern die Geißenkinder.
Der Wolf kommt nicht zu uns herein
und auch nicht die drei Rinder!“

„Die grasen meist am Brombeerbusch,
dort hinten bei den Buchen.
Die brüllen rum mit lautem Tusch,
die soll´n uns nicht besuchen!“

Die Mutter nun nach Futter sucht,
während die Kinder spielen.
Der Isegrim am Fenster flucht,
um nach ihnen zu schielen.

Schon pocht es an die Eingangstür:
„Ach Kinder ruft die Mutter,
fand grünen Klee über Gebühr
und bring euch nun das Futter!"

Doch klingt der Geißin Stimme rau,
auch hört man´s zweimal husten.
„Du bist der Wolf, bist alt und grau,"
die kleinen Geißlein prusten.

Der Wolf ist sauer, knurrt vor Wut.
„Ich werd´ euch schon erhaschen,
Euch widerliche Geißenbrut,
mit Griebenschmalz vernaschen!“

Die Geißlein aber lachten nur:
„Du spielst uns kein Theater.
Nun geht zurück in die Natur,
du alter Wolfenvater!"

Der Wolf, der kauft sich Kreide nun,
für eine Stimme fein und rein.
Er mag nicht rasten, mag nicht ruh´n,
erneut treibt er sein Stelldichein.

Und wieder klopft zur Tür er an
und säuselt: „Macht mir auf, ihr Kleinen.
Bin eure Mutter, die gewann,
will euch nun geben Hafer, feinen!“

„Du lügst, sprach da ein Geißenkind,
zeig deinen Huf vorm Fenster!“
Am Häuschen rüttelt nun der Wind,
als schüttelten Gespenster.

„Das ist nicht unser Mutter Fuß,
schrie´n sieben junge Geißen,
Der hier ist grau, dir Wolf zum Gruß,
du kannst uns nicht bescheißen!“

Der Wolf drauf hin zum Bäcker läuft,
den Lauf sich weiß zu machen.
Er taucht in Mehl ihn und er säuft,
von Honig und solch Sachen.

Und wieder klopft er donnert an,
die Geißlein nun erschrecken.
Gleich spricht der, wie er sich ersann,
mit süßem Stimmgeblecken.

„Ach, Kinder öffnet mir das Tor,
schaut auch die weißen Füße,
Das Mütterlein, steht doch davor
und bringt euch beste Grüße!"

Nun machten ihm die Geißen auf,
schon sprang er in das Zimmer.
Die Geißlein nahmen es in Kauf
und hatten keinen Schimmer.

Der Wolf sie allesamt nun fraß,
der hielt nicht viel vom fasten.
Das Jüngste, er dabei vergaß,
das saß im Uhrenkasten.

Und als die Mutter heim nun kam,
war groß gar ihr Erschrecken,
konnt´ kein´s der Kinder, brav und zahm,
im Hause noch entdecken.

Das Haus schien auf den Kopf gestellt,
die Möbel auch zerbrochen,
Das macht die Alte nun vergrellt
und schießt ihr in die Knochen.

Sie sucht, sie ruft, mit Wehgeschrei,
sieht man durch´s Haus sie eilen.
Als ob das schon das Ende sei,
so zwischen all den Zeilen.

Da meldet sich das jüngste Kind:
„Mich hat er glatt vergessen,
die anderen, hat ganz geschwind,
der böse Wolf gefressen!"

Und als die Geißin Ausschau hält,
liegt der am Apfelbaume.
Vergessen scheint der Rest der Welt
in seinem schönen Traume.

Des Wolfes Bauch sich fleißig regt,
die Geißlein sind am leben.
Schon wieder eines sich bewegt,
nur eines kann´s hier geben!

Die Geißin jagt im schnellen Lauf,
nach Haus´ und holt ein Messer,
dann schneidet sie den Bauch ihm auf,
dem grauen Geißenfresser.

Die Geißlein springen froh umher,
nun scheinen sie errettet.
Des Wolfes Bauch ist platt und leer,
ans Schicksal nun gekettet,

„Hopp Kinderchen jetzt schnell und fein,
die Geißin drängt zur Eile,
Bringt Felsen mir und Wackerstein,
das reicht für eine Weile.

Und damit füllt sie ihm den Bauch,
näht dann mit groben Faden.
ihm zu, den grauen Balg nun auch,
noch immer sehr geladen!

Und als der Wolf kurz drauf erwacht,
es ihm nach Wasser dürstet,
Auch hat er sich seit gestern Nacht,
die Zähne nicht gebürstet.

So schleppt er sich zum Brunnen schwer,
und dort Labsal zu suchen,
der Bauch der wackelt hin und her,
man hört ihn wieder fluchen.

„Was rumpelt da in mir herum
ich dacht´ das wären Geißlein,
die sind so schwer und stumm
als wären sie aus Stein!"

Und als er sich zu trinken bückt,
stürzt er in kühle Fluten,
sein Spiegelbild ihn kurz entzückt,
das längst nicht mehr im Guten.

Der graue Isegrim ertrinkt,
in jenes Wassers Schwalle.
Bis an den tiefen Grund, er sinkt,
der Brunnen, wird zur Falle.

„Das ist das Ende uns´rer Not,
hört man die Geißlein singen.
Der Wolf ist tot, der Wolf ist tot!"
Die frohen Lieder klingen.

Und wenn sie nicht gestorben sind,
dann tanzen sie noch immer.
Am Brunnen dort im Abendwind,
wohl unter Mondes Schimmer.

© Hansjürgen Katzer, Januar 2012

Informationen zum Gedicht: Der Wolf und die sieben Geißlein

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10.09.2015
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