Der Füller mit der schwarzen Tinte
Ein Gedicht von
Marie Mehrfeld
Wie die Vermisstenlisten wachsen im späten Herbst – es schmerzt. Und das Bewusstsein ihres Fehlens auch. Was scheint verschwommen und was klar? Handeln wir besser aus dem Bauch?
Was ist gelogen, was ist wahr? Wir suchen Licht. Fragen nach Leben, es muss sie geben. Stirbst du nach mir? Nein, jetzt noch nicht? Geh’ ich vor dir? Und wenn, dann wie? Zu welcher Zeit? Ist’s Utopie?
Bist du bereit? Such’ ich die Klarheit im Gestirn? Ist sie nur Staub in meinem Hirn? Wie hieß der Ort, in dem du damals lebtest? Da war ein Pfad durch’s Feld im Mai, der Mohn, der Flachs, der laue Wind.
Da war viel Haut. Da war’n wir Zwei, bereit. Die Zärtlichkeit. Doch wann und wo. Und die Gesichter, zugewandt, sind sie dir alle noch bekannt? Waren wir froh, haben wir Widerspruch gewagt,
lag Wut in dem, was wir gesagt? Wer ging mit wem? Alles vergessen? Hast du die Dinge je besessen, nach denen du dich manchmal sehnst, hast du sie früher je erwähnt?
Der Kinder Lachen, sind meine nicht und doch ein Teil von mir, das sag ich dir. Die tote Amsel hier, war es der Kater? Das schöne Tier, das abends klagt vor unsrer Tür?
Der Schmuck der Frau, die lange vor mir war, das Armband aus der Ahnin Haar. Der Füller mit der schwarzen Tinte. Des Irrtums wirre Labyrinthe. Gibt’s einen Plan, gibt’s Anfang, Ende? Kommt eine Wende?
Welkt also alles bald dahin? Der Augen Licht? Das, was ich bin? Ich will es nicht. Auch der Gesang, der Celli Klang - soll'n mir erhalten bleiben. Noch eine Weile. Ich bitte dich, lass uns nicht zweifeln, nichts verteufeln.
Nur keine Eile, lass uns nichts verfluchen, nur hoffend weiter suchen, Hand in Hand, nach einem hellen Land, nach jenem Stein der Weisen, wohl ahnend, dass es ihn nicht gibt. Nennt man’s nicht Leben – wenn man liebt?
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