Der Februar

Ein Gedicht von Christoph Hartlieb
….Zwölf Monate umfasst das Jahr;
der zweite ist der Februar,
gelegen in der Jahreszeit,
wo´s mehr als vorher friert und schneit.
Wird manchmal auch der Winter strenger,
die Tage werden wieder länger.
Wer morgens aus dem Schlaf erwacht,
tut´s nicht mehr mitten in der Nacht,
weil ab und zu am Horizont
ein Wölkchen, rosarot besonnt,
geheimnisvoll und unbegründet
den Anfang eines Tags verkündet.
….Nun kommt, - wie soll es anders sein? –
auch hier ein Unglück nicht allein.
Gefräßig-gierig lauert schon
im Hinterhalt die Depression,
die keinen, der im Norden wohnt,
im Monat Februar verschont,
die bohrt und plagt und piekst und quält,
obwohl´s nach außen an nichts fehlt.
Dergleichen macht den Stärksten mürbe
so sehr, dass er am liebsten stürbe,
wenn Suizid nur nicht so schwer
und risikobehaftet wär.
….Sobald die Sonne höher steigt
und Licht sich überall verzweigt,
dringt damit zwar ein Hoffnungsschein
ins winterkalte Herz hinein.
Licht lindert nämlich die Misere, -
Wenn da nicht noch das andre wäre,
das Öde, Triste, Totenblasse,
das Langweilige, Graue, Nasse,
das Oberflächliche, Banale,
Verschwommene, Stupide, Fahle,
das vor dem Fenster unverhohlen
umherschwirrt wie ein Schwarm von Dohlen.
….Wer aus dem Bett durchs Fenster schaut,
hüllt sich sofort in Gänsehaut,
und auch sein Innerstes erstarrt
beim Anblick dieser Gegenwart,
so dass er sich erneut einrollte,
wenn er nur könnte, wie er wollte.
Doch leider, ach, er kann es nicht,
unüberhörbar ruft die Pflicht,
und nur die wenigsten der Pflichten
kann einer ja im Bett verrichten.
Meist muss er dazu aus dem Haus,
das heißt, auch aus dem Bett hinaus.
….Er schnäuzt mit einem stillen Fluch
Zähschleimiges ins Taschentuch,
schlüpft in die sonst bedeutungslosen
schafwollnen langen Unterhosen;
schluckt reichlich Vitamintabletten,
die, hofft er, vor Erkältung retten;
beschließt, es sei ein Schnaps vonnöten,
um die Bazillen abzutöten,
und lutscht zu seiner Kehle Wohl
kaugummiartiges Menthol.
Er fasst den mutigen Beschluss
zu tragen, was er tragen muss.
Da Klagen sowieso nichts nützen
und vor dem Wetter nicht beschützen,
erscheint es klüger, ohne Klagen
das Unvermeidliche zu tragen,
wozu, auch wenn es noch so stört,
der Monat Februar gehört.
….Doch wer von so viel Grau umgeben,
sehnt sich nach Farbe, Duft und Leben,
nach Vogelzwitschern, grünen Wiesen,
exotisch-fernen Paradiesen,
Begeisterung, Unendlichkeit,
nach einem Aufbruch der befreit.
….Noch tut sich nichts, er wird nicht froh,
die Welt als solche ist nicht so.
Nein, diese Gegenwart ist wahrlich
nichts anderes als februarlich.
Da hilft nicht zornig sein, nicht toben;
nichts, gar nichts hilft mehr … siehe oben.
….Doch leider, noch ist Februar.
Es ist so, wie es immer war:
Apathisch, trostlos, trist und fahl,
genau genommen stinknormal,
normaler Frust, normaler Schmerz.
O komm doch endlich, lieber März,
und komm, für alle deine Fans,
auch du recht bald, geliebter Lenz.
Silesio

Informationen zum Gedicht: Der Februar

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03.02.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Christoph Hartlieb) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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