Der Blick.!
Warum gabst du uns die tiefen Blicke,
Unsre Zukunft ahnungsvoll zu schauen,
Unsrer Liebe, unserm Erdens glücke
Wähnend selig nimmer hin zutrauen?
Warum gabst uns, Schicksal, die Gefühle,
Uns einander in das Herz zu sehen,
Um durch all die seltenen Gewühl
Unser wahr Verhältnis auszuspähen?
Ach, so viele tausend Menschen kennen,
Dumpf sich treibend, kaum ihr eigen Herz,
Schweben zwecklos hin und her und rennen
Hoffnungslos in unversehrtem Schmerz;
Jauchzen wieder, wenn der schnellen Freuden
Unerwartete Morgenröte tagt.
Nur uns armen liebevollen beiden
Ist das wechselseitige Glück versagt,
Uns zu lieben, ohne uns zu verstehen,
In dem andern sehen, was er nie war,
Immer frisch auf Traum Glück auszugehen
Und zu schwanken auch in Traumgefahr.
Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt!
Glücklich, dem die Ahnung eitel wer!
Jede Gegenwart und jeder Blick bekräftigt
Traum und Ahnung leider uns noch mehr.
Sag, was will das Schicksal uns bereiten?
Sag, wie band es uns so rein genau?
Ach du warst in ab gelebten Zeiten
Meine Schwester oder meine Frau.
Kanntest jeden Zug in meinem Wesen,
Spähtest, wie die reinste Nerve klingt,
Konntest mich mit einem Blicke lesen,
Den so schwer ein sterblich Aug durchdringt;
Tropftest Mäßigung dem heißen Blute,
Richtetest den wilden, irren Lauf,
Und in deinen Engels armen ruhte
Die zerstörte Brust sich wieder auf;
Hieltest zauber leicht ihn angebunden
Und vorgaukeltest ihm manchen Tag.
Welche Seligkeit glich jenen Wonne Stunden,
Da er dankbar dir zu Füßen lag,
Fühlt' sein Herz an deinem Herzen schwellen,
Fühlte sich in deinem Auge gut,
Alle seine Sinnen sich erhellen
Und beruhigen sein brausend Blut!
Und von allem dem schwebt ein Erinnern
Nur noch um das ungewisse Herz,
Fühlt die alte Wahrheit ewig gleich im Innern,
Und der neue Zustand wird ihm Schmerz.
Und wir scheinen uns nur halb beseelt,
Dämmernd ist um uns der hellste Tag.
Glücklich, dass das Schicksal, das uns quält,
Uns doch nicht verändern mag!
Verfasst von Konstanze. L.
Am 16.08.2008
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