Das Wilde Heer
Ein Gedicht von
Zora Kastner
Durch den schmalen Spalt der Augen
Erblickt' ich sanften Flockenflug.
Dank Frost die Glieder nicht mehr taugten,
Hin ging mein letzter Atemzug.
Gewaltsam wurd' jedwedes Leben
Meinem jungen Leib entrissen.
Nie wird diese Brust erbeben,
Nie werden diese Lippen küssen.
Lang lag ich leblos in der Nacht,
Nur der Wind strich sanft mein Haar.
Doch kaum, dass ich im Tod erwacht
Nahm ich ein sanftes Ächzen wahr.
Zunächst dacht' ich es wär'n die Lungen
Und dass ich doch noch lebend war.
Doch nein, es kam von fern geklungen.
Mein Herzschlag war längst nicht mehr da.
Erst umschmeichelten Gesänge
Meine Seele wie Gewebe.
Doch dann erschollen graus'ge Klänge,
Verlangten, dass ich mich erhebe.
Wie ein unzähmbares Tier
Raste nun das Heer mit Stöhnen.
Die Tannenwipfel brachen schier
Und immer näher kam das Dröhnen.
Angeführt von schrei'nden Türsten
Auf Rossen, gewalt'ger noch als Stiere,
Der Zug nun in all seinem Dürsten
Ließ dem Elys'um nur dunstige Schliere.
Von den Göttern und Dämonen,
Der Schar einst lebender Trabanten,
Wurd ich lieblos mitgezogen
Zu denen, die kein Alter kannten.
Zwischen ahnungslosen Opfern,
Totgewünschtem Fürst und Zohen,
Näh'r ich mich erneut den Dörfern,
Wo ich lebendig einst geboren.
Angst ist nun der Menschen eigen,
Auch Mörder dreh'n das Antlitz fort.
Denn keiner will dem Heer zusteigen.
Doch ich, ich bleib für immer dort....
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