Das Tagesgedicht
Nun sitze ich am Schreibtisch hier
und starre auf ein Blatt Papier.
Es ist jungfräulich weiß und glatt
und noch keinen Inhalt hat.
Der Verleger sagte ‚Alter Knabe,
nach Neujahr dein Gedicht ich habe.
Schreibe, was du denkst im neuen Jahr,
Hauptsache, es sind zehn gereimte Paar.
Und hat jede Zeile hundert Zeichen,
wird das für die Kulturseite reichen.
Wir sind eine unabhängige Tageszeitung
mit eigener freier Kulturzubereitung.
Ohne deine zwanzig gereimten Zeilen
wird hier keine Druckmaschine eilen. ´
So setzte er mir zum größten Frust
symbolisch die Pistole auf die Brust.
Wie Wilhelm Busch sitz ich nun hier
vor dem leeren Blatt Papier
und ich warne „Wehe, wehe,
wenn ich auf das Ende sehe!“
01.01.2020 © Wolf-Rüdiger Guthmann
Das könnte Sie auch interessieren