Das Mühlenlied
Ein Gedicht von
Jürgen Wagner
In Gotland war’s, zu alten Zeiten,
der König Frodi herrschte dort
Er kaufte sich zwei starke Frauen
und Mühle Grotti – die sofort!
Menja und Fenja mussten mahlen
fast ohne Ruh von früh bis spät
Nur für die Dauer eines Liedes
wurde das Rad mal ruhiggestellt
Reichtum, Ehre, Macht und Freude:
das mahlten sie den ganzen Tag
Der König wurd' ein großer Herrscher -
die Arbeit eine große Plag
Er konnte nicht mehr innehalten
und wollte mehr und immer mehr
Noch schneller sollten sie es drehen -
das Mühlrad knirschte bereits sehr
Und sie, die vom Geschlecht der Riesen
- zu kämpfen waren sie gewohnt -
des nachts begannen sie zu singen
und mahlten, mahlten, dass sich’s lohnt
Der Zorn und Kummer ihrer Seele,
der floss in ihre Arbeit ein
Die Mühle nahm sie auf und mahlte
die ganzen Herzenswünsche rein:
Das Unrecht, das sie hier erlitten,
die Habgier, die kein Ende nahm
Sie brauchten nur zu sprechen, bitten
und die Gerechtigkeit, die kam!
Ein Feindesheer, das ist gekommen
und hat den König umgebracht
Die Mühle haben sie genommen
und reiche Beute noch gemacht
Auf hoher See befahl der Herrscher,
er wolle Salz, das ohne End -
Da schließlich ist sein Schiff gesunken.
Die Mühle, die kein Mensch mehr kennt,
die mahlte unverdrossen weiter
dort unten, auf dem Meeresgrund
Noch immer ist sie so am Werke
und salzt die Meere bis zur Stund'
König Frodi war nach der altnordischen Sage Grottasöngr (Das Lied Grottis) ein legendärer König in Dänemark. Nach ihr ging sein Reich an seiner Habgier zugrunde. Das magische Motiv hat sich bis in die Volksmärchen erhalten (Die Mühle, die auf dem Meeresgrund mahlt; Der süße Brei).
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