Das gemalte Gedicht
Gestern schrieb einer mir im Bericht:
„Mal doch einmal ein Gedicht!“
Wie soll ich in Farben entstehen lassen,
was sich in Worte kaum lässt fassen.
Ich lag die ganze Nacht lang wach,
diese Worte machten mich schwach.
Ich grübelte und wälzte mich herum,
doch die Idee fand ich nicht so dumm.
Ich geb einer neuen Tabelle ein Gesicht,
welches Adjektiv einer Farbe entspricht.
Ich könnte rotes für die Liebe nehmen,
braun wie Füße gilt dann für schämen.
Gelb ist immer noch die Eifersucht
grau, wenn einer etwas sucht und flucht.
Für letzte Versuche gilt das Violett,
auch wenn diese Farbe nicht sehr nett.
Lila ist meist der allerletzte Mode-Schrei
auch für Hoffnung und Tand so nebenbei.
Gold ist für Reden und Hochzeitsreigen
Silber für alte Dinge und das Schweigen.
Grün ist die Hoffnung eines jeden Alten
und blau das zeichnet im Antlitz Falten.
Weiß ist die Unschuld, meist der Jugend,
rosa gehört dazu als die verliebte Tugend.
Schwarz ist für eine unbestimmte Dauer,
die schlichte Farbe der Rücksicht und Trauer
Ich wollte nicht theoretisch studieren,
sondern auch praktisch ausprobieren.
Tuben, Pinsel, Terpentin und Staffelei
trug ich samt einer Farb-Palette herbei.
Dann suchte ich mir die Inspiration,
und fand sie bei der Nachbarin schon.
Ihr Holz vor der Hütte bot sich an,
Emotionen zu wecken bei einem Mann.
Ich wollte bei ihr ganz gerne wandern
mit Händen von einer Seite zur andern.
Ich wollte Rundung an Rundung malen,
ohne ein Beispiel, ohne gedruckte Zahlen.
Aller Welt wollte ich in Farbe zeigen,
wozu sich Männer vor Frauen neigen.
Was man nicht sah, aber ahnte,
grollend wie ein Gewitter mahnte.
Ich zog Linien und malte Wände,
schwarze Ränder durch weiße Hände.
Sinus reimte sich endlich auf Kuss,
verbindend sollte sein der Schluss.
Farben tropften, Pinsel flogen,
zum Schluss war es ein Regenbogen.
17.08.2013 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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