Begegnung vor dem Schneckenhaus

Ein Gedicht von Tilly Boesche-Zacharow
- Für Ch. R-

Bin gestern Abend rausgegangen,
um noch ´ne Nase Luft zu fangen;
ich dacht an dieses, dacht an das
und hatte an nichts Rechtem Spaß.
Doch wie ich so des Weges ging,
mein Blick sich an ´ nem Schnecklein fing.
Das trug ja - wie hält man das aus? -
auf schmalem Kreuz ein Riesenhaus.
Ich hört es recht bei bloßem Laufen
ob all der Last gehörig schnaufen.
Ich wollte ihm den Rat schon geben,
sich der Belastung zu entheben,
damit es froh und frei und leicht
erhofftes Ziel ganz schnell erreicht.
Die große Last von sich zu werfen,
würd des Daseins Leid entschärfen.
Ich fühlt berufen mich und weise -
da hörte ich ein Stimmlein leise:

`Ach, lieber großer Menschenmann,
du bist ja noch viel schlimmer dran.
Denn dein irdisches Gewebe
ist genauso nur Gestäbe,
in das sich deine Seele hüllt,
so wie mein Ich die Muschel füllt.
Doch werfen wir´s Gehäuse ab,
dann graben wir uns selbst das Grab.
Das Häuslein ist uns angewachsen,
seine Wucht flacht zwar die Haxen,
doch das schwere Haus auf Buckeln
hilft nur beim durch´s Da-Sein schuckeln.
>
Lässt man mir einfach keine Ruh,
geh ich ins Haus, die Tür fällt zu…
Dann hock ich drin und hoffe fest,
dass du - die Finger von mir lässt.
Denn jeglichen Geschöpfes Artung
bleibt die eigene Erwartung
von Entlastung und Erkennung,
wann und wo und wie – die Trennung.
Die Seele – in realem Leib
scheint schöpferischer Zeitvertreib.
Natur wird einst Ergebnis zeigen,
wenn der Geist sich löst im Schweigen.´


Da hab ich´s gleich dem Schneck gemacht,
ich lief ins Haus, das mich bedacht.
Denn so ein übern Haufen rennen,
kann man wohl kaum Begegnung nennen
Mach Würmleins Klugheit mir zu eigen:
Der Neugier gilt´s, die Tür zu zeigen.
Doch klopft jemand mal leise an,
dem öff´ne ich ein Spältchen dann.
Man mustert sich,ich sag´s mal frech,
und öffnet sich zum Hörgespräch,
begibt sich dann nach Denkartweise
gemeinsam auf´ne Ferienreise.

So hat sich dann dank guter Stund
schon oft gelöst ein Rätselfund.
Wenn manchmal ganz verschied´ne Tröpfe
öffneten verschloss´ne Köpfe,
dann würde man wohl nicht mehr fehlen,
das Wort Begegnung auszuwählen!

Informationen zum Gedicht: Begegnung vor dem Schneckenhaus

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19.05.2013
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