Bedeutungslos in der Menge.

Ein Gedicht von Christine Biermann
Es ist schon viele Jahre her,
als sie sich nach längerer Zeit
wieder einmal nach Hamburg wagte.
Diesmal ohne Begleitung,
das sollte doch auch gehen.
Schon in der U-Bahn
blickte sie auf die ausdruckslosen Gesichter der Passagiere.
Kein Lächeln, kein Zunicken, keine Beachtung.
Gefühle gehörten dem Smartphone,
dem Ansprechpartner irgendwo im digitalen Luftraum.
Hemmungsloses Plaudern in dem überfüllten Bahnabteil, nur nicht zum Gegenüber.
Sie fühlte sich wie ein Nichts in der Menge,
und sie war es auch unter den Neuzeitmenschen.
Es lag gewiss nicht am Alter,
denn auch die Leute ihres Etwa- Jahrgangs sahen durch sie hindurch.
Finster, unfreundlich mit der Welt. Egal.
Was wollte sie eigentlich in Hamburg?
Sie kannte sich einmal aus,
arbeitete in der Innenstadt,
hatte einen Hanseaten geheiratet.
Die Kinder sind auch dort geboren.
So allein merkte sie,
dass sie ohne Familie und Freunde
in einem Nichts untergeht,
nur nicht daheim in ihrem Umfeld, das sie sich geschaffen hat mit ihrem Mann.
Dort am Lande, provinziell, erdverbunden.
Als sie am Alsteranleger stand
und sich ein bisschen „aus der Zeit gefallen“ fühlte, hörte sie ihren Namen in verzärtelter Form.
Es war eine Freundin,
die sie länger nicht gesehen hatte.
Sie umarmten sich, nutzten die Zeit
und tranken in ihrer Mittagspause im Alsterpavillon Kakao.
Sie blieben von da an miteinander verbunden.
An einem Tag in Hamburg,
als SIE sich in der Menschenmenge so bedeutungslos fühlte.
CBi.

Informationen zum Gedicht: Bedeutungslos in der Menge.

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07.08.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Christine Biermann) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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