Aufrecht
Ein Gedicht von
Marie Mehrfeld
Der Maientag heute - so herrlich, ihr Leute!
Vom Krieg jetzt’ zu hören? Das würde nur stören.
Wir schreien hurra - die Wende ist da -
ihr Brüder, Schwestern - Seuche war gestern!
Statt klagen und barmen - sich wieder umarmen,
den Nervkitzel suchen und Flugreisen buchen,
sich aalen im Garten, die Umwelt kann warten!
Gleich ahnte ich schon - das ist Illusion …
Viel Festlichkeit. Im schönsten Kleid -
die Oper genießen! Champagner soll fließen!
Juppheißa, juchhei - Corona vorbei!
Dies hoffte auch ich. Da irrte ich mich.
War keiner maskiert. Und was ist passiert?
Zwei Tage danach - da lag ich schon flach.
Mit hohem Fieber, kein Schnüpfchen, mein Lieber!
Dass keine-r mich schimpft: Bin vierfach geimpft!!
Ne richtige Qual. Da war’n wohl im Saal
Infizierte gewesen. Nun baldigst genesen!
Das hör ich euch sagen. Ich wag’s nicht zu klagen
und wahre den Schein. Doch bin ich allein
und in seelischer Not - meine Liebsten sind tot.
Die Worte, sie stocken. Seh’ einsam mich hocken
in meiner Klause und sehn’ mich nach Hause,
nach früherem Glück - doch nichts kehrt zurück.
Der Kreis wird geschlossen. Ich hab es genossen -
mein Steigen, mein Fallen. Der Dank gilt euch allen.
Bin alt nun, ich Frau - und ich weiß es genau -
meine Gedanken - sie stolpern, sie schwanken.
Sitzt nicht zu Gericht. Ist nur ein Gedicht …
und mir hilft das Schreiben - aufrecht zu bleiben.
Stimmungsbild; schnellgereimt
am 29.05.22 von 13 bis 16 Uhr
© M.M.
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