Sie ist schwanger
Unsere Tochter ist hübsch und klug
und Stewardess bei der Deutschlandflug.
Tag und Nacht steht sie bereit,
hat für die Männer keine Zeit.
Bei der ärztlichen Untersuchungsfrist
stellte man fest, dass sie schwanger ist.
Jetzt möchten wir doch gerne wissen,
wem gelang es sie zeitlos zu küssen,
sie noch ins Bettchen zu geleiten
und dort seine Gene zu verbreiten.
Ob es ein chinesischer Kaufmann war,
dem gefiel ihr blondes Haar?
Oder ein Gringo aus den USA,
der sie in Las Vegas sah?
Ein Aborigines käm auch in Frage,
in Australien blieb sie oftmals Tage.
Vielleicht war es auch ein Co-Pilot,
der ihr stolz sein Bett anbot.
Oder in der heißen Wüstensonne
bereitete ein Scheich ihr große Wonne.
War es vielleicht ein Hoteldirektor,
der ein Einzelzimmer ihr beschwor?
Vielleicht belehrte sie bei meiner Seel
ein Rabbi dort in Israel.
Möglich wäre ein reicher Walliser,
aber auch ein armer Pariser.
Ein Minister aus Nepal oder Tokio
machte vielleicht unsere Tochter froh.
Wir stellten uns schon darauf ein,
eine internationale Familie zu sein.
Doch beim Geburtstag, als alle tagten
und neugierig noch hinterfragten,
klingelte es doch an der Wohnungstür
und die Tochter raste gleich zu ihr,
riss sie auf und küsste laut
den Jüngling, weil sie seine Braut.
Sie zeigte in der Tür schon an,
der angehende Papa wird mein Mann.
„Spricht er denn auch unsere Sprache?“
kam die Tante gleich zur Sache.
Als er um die Ecke bog, war allen klar,
dass es unser Nachbar war.
08.10.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann