Der Wolf
Ein Wolf auf großer Wanderschaft
entkam der Jagd mit letzter Kraft.
Sie hatten auf ihn schon angelegt,
da hat ein Jagdhorn sie bewegt.
Sie drehten ihm den Rücken zu,
als sagten sie: „Geh nur in Ruh!“
Die Sonne schien am Tage sehr,
er lief ihr trotzdem hinterher.
Meist immer ganz gerade nur,
wie auf einer gespannten Schnur,
fand er den Weg am Besten
und lief so genau nach Westen.
Ein Elch drohte ihm beim Trinken
er würde mit der Schaufel winken.
Doch ein Fuchs musste dran glauben,
der wollte zu den hohen Trauben.
Und ein Igel wurde aufgerollt,
der zu sicher herum getollt.
Reh und Hirsche waren seine Opfer,
Schafe, Ziegen und der Feldrainklopfer.
Ein großer Teich mit vielen Fischen
kam günstig auf dem Weg dazwischen.
Hühner, Gänse, Entengefieder
metzelte er scharenweise nieder.
Der Wolf suchte vergebens eine Frau,
er roch nicht einmal einen Bau.
Woher sollte er auch wissen,
200 Jahre tat ihn keiner vermissen.
Er war der Erste, stark und jung,
und weckte nun Erinnerung.
Viele mussten Bücher lesen,
was er für ein Raubtier gewesen.
Flüsse, Ströme und breite Bäche
waren seine größte Schwäche.
Bisher fand er zu seinem Glücke
immer irgendwo eine Brücke.
Doch stets der Sonne hinterher
kam er bald ans große Meer.
Von Hunger und Durst getrieben,
wäre er gern hier geblieben.
Er konnte Schafe und Kräuter walzen,
aber das notwendige Wasser war gesalzen.
Als verschwand das raue Meer,
lief er der Sonne hinterher.
Im feuchten Gras sprang er heiter,
lief Wattwürmer ziehend, immer weiter.
Sein Spürsinn hat ihn schwer getrogen,
denn die Flut kam schnell gezogen.
Erst konnte er im Watt noch trimmen,
aber schon bald musste er schwimmen.
Doch das nahe Ufer ihn trog,
denn ihn schaffte der starke Sog.
So fand die Wolf Weltreise Tour
ein sehr feuchtes Ende nur.
Am nächsten Morgen die Schafe stürzten,
die auf dem Deich die Kräuter kürzten.
Ein totes Tier lag auf dem Strand,
das kein Schaf und kein Friese gekannt.
Sie schickten es in ein Institut,
dort steht der Wolf nun brav und gut.
07.12.2016 © W.R.Guthmann