Der neue Dichter
Ein Mensch ging in den Ruhestand
doch dabei lange keine Ruhe fand.
Er war gewohnt, sich zeitig zu kleiden,
um Stress im Badezimmer zu vermeiden.
Danach trieb ihn der Arbeitswahn
im Laufschritt nun zur Straßenbahn.
Doch plötzlich, wer übt das schon,
war sie neu die tägliche Situation.
Kein Klositzer wollte ihn hemmen,
es fehlten die geschmierten Bemmen,
es sollte nun täglich Frühstück geben,
aber nicht so eklig früh im Leben.
Vor Hunger oder auch Langeweile
summte er leise ne Schlagerzeile.
Über Torte, Sahne und die Frauen,
die zu leckern sich getrauen.
Doch er bekam sehr schnell nen Schreck,
denn der weitere Text war weg.
Hat der Alzheimer ihn entdeckt
und zum ersten Mal erschreckt?
Würde er jetzt die Hände reiben
und für immer bei ihm bleiben?
Er musste etwas unternehmen,
ohne sich sein Gehirn zu lähmen.
Irgendwo im tiefsten Schrankfach
lag der Hefter vom Jubiläendank flach.
Er kramte, wühlte, nahm am Ende
das Gedicht in beide Hände.
Er las und schüttelte sein Haupt,
hier stand ja nur, was keiner glaubt.
Zwar schön sauber und gereimt,
doch nicht wahr, weil es geschleimt.
Nun zog er aus der kleinen Kiste
Werbung, die er nie vermisste.
In diesem ganz speziellen Falle
Bleistifte für die Sportwelthalle.
Und darunter, schön geschichtet
kariertes Papier, das sonst vernichtet.
Jetzt fehlte nur der richtige Platz,
im Sommer war die Bank sein Schatz.
Jetzt aber bei den sibirischen Graden
war die Heizung Platz der Waden.
Den Tisch etwas dichter gerückt
und mit den Utensilien bestückt.
Aufs Fensterbrett kam die Blumenvase,
denn sie störte seine Nase.
So gut und emsig vorbereitet,
wurde das Dichten eingeleitet.
A-E-I-D-Denn-wenn-Wann
Wann ist gut, so fing er an,
ob Hut oder Mut er dachte nach,
dieser Text war ziemlich schwach.
Semikolon oder Fragezeichen,
ach ein Komma müsste reichen.
Schreibt man lieblich oder zart
in der brutalen Gegenwart
oder dichtet man über das Leid
in der jüngsten Vergangenheit?
Kann man mich für Fehler belangen,
ach hätt ich bloß nicht angefangen.
26.01.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann