Unbehütet

Ein Gedicht von Marie Mehrfeld
Den Haselnussstock abgelegt auf dem Fels
hoch oben, da hockte sie zitternd aus Angst
vor dem Ziegenbock, mit gesenkten Hörnern

zum Angriff bereit, hatte sie ihre lieben Kühe
wieder alleine gelassen auf der Milchweide,
die sie bewachen soll, hatte erneut versagt,

du taugst nicht zur Kuhhirtin, hörte sie von
der alten Bäuerin, Mädchen aus der großen
Stadt mit den langen Zöpfen, den traurigen

Augen, und wenn die lange Dunkelheit kam
und alle ihr Gebenedeitseistdu geleiert hatten
in den schwarzen Kleidern ohne ein Lächeln

beim klirrenden Abtrocknens des Geschirrs,
wurde es Zeit für die Nacht, und sie schlich
über den Steg, unter dem ein Bach sprudelte,

ohne Gutenachtküsschen in das klapperige
Gästehaus, die knarrende Stiege hinauf in den
ersten Stock, da war nur sie und die panische

Furcht vor Nachtchimären und dem großen
Krieg, und ihre einsamen Schreie erstickten
in tränenloser Verzweiflung, und manchmal

lauschte sie dem monotonen Brummen hoch
am Himmel, und sie ahnte, dass diese Bomben
Geschwader gefährliche Lasten trugen, die Tod

und Feuer werfen würden auf alle ihre Lieben
in weiter Ferne, und sie faltete ihre Hände zum
Gebet, doch da war niemand, der sie behütete.

© M.M.

Informationen zum Gedicht: Unbehütet

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17.11.2021
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Marie Mehrfeld) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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