Wolfskind

Ein Gedicht von Lars Abel
Es war die Zeit des großen Krieges,
da manches Kind vereinsamt war,
bis in den Augenblick des Sieges
verblieb im Wald so manche Schar

Da huschten Blondchen durch das Dickicht,
oft splitternackt, traumatisiert,
sie litten Hunger, jung und töricht
und nur vom Walde akzeptiert

Die Bomben fielen fern im Westen
auf alle Zivilisation,
im Dickicht, unter grünen Ästen
blieb ungehört ihr schriller Ton

Ich stob im Luftzug kalter Nächte,
wenn unterm Mond der Tann sich regt,
hinaus aus meinem Menschgeschlechte,
auf's Tier hab' ich mich zubewegt

Ich schrie und quiekte wie besessen,
der Worte ich nicht habhaft war,
von Schweinen lernte ich zu fressen
und auch ihr Sprachenrepertoire

Den Wölfen galt bald all mein Sehnen,
ihr Heulen einem Wunder glich,
fror mir das Blut auch in den Venen,
in ihrem Bann die Zeit verstrich

Ich bin das Kind, das mit dem Rudel
behände durch die Gräser lief,
das in der Wölfe Sog und Strudel
des nächtens riss und mittags schlief

Was ihr befindet nun für Sage,
was sich erschließt euch sonnenklar,
die Wahrheit tritt durch mich zutage,
da kein Mensch sonst da draußen war

(C) Lars Abel

Informationen zum Gedicht: Wolfskind

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14.06.2016
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