Des Rösleins trauter Ruf
Ein Gedicht von
Lars Abel
Ein Holzkreuz singt ein stilles Lied
von der, die dort verschied
Ein Jahr ruht sie nun schon genau,
die einstmals junge Frau
An jedem Tag kommt wer vorbei,
erzählt ihr von so mancherlei,
von Dingen die sie einst bewegt,
bevor man wieder geht
So singt das Kreuz dort Tag für Tag,
ich fragte mich, wem´s singen mag,
man rauscht im Auto still vorbei,
gewahrt die Melodey:
"An diesem Flecken schied ich hin,
auf ewig achtzehn Jahr' ich bin
Ich war gewiss des Lebens froh
und ging nicht einfach so
Die Zukunft lag weit vor mir aus,
doch nur im Traum zog ich hinaus
Zu früh floh ich zum Himmelszelt,
an's Ende dieser Welt."
Geht´s euch wie mir, wenn ihr es seht,
dies Holzkreuz dort, vom Wind umweht?
Soviel nur soll verraten sein:
Hier starb kein welkes Blümelein,
hier schied ein Röslein voller Saft,
voll Wagemut und Lebenskraft
Es schnitt die Kurv' und stach sich selbst,
die Blätter rasch verwelkt...
Weil man's zu spät erst liegen fand,
das Röslein, still am Wegesrand,
hat's seine Blüte aufgezehrt,
die niemals wiederkehrt
Es ist die Mutter, die dort naht,
hält treu zum Töchterchen den Draht:
"Du Dummerchen, du fehlst so sehr,
im Leben seh'n wir uns nie mehr
Gedulde dich, mein liebes Kind,
bis wir beisammen sind
Seit du von uns gegangen bist,
mein Lebensglück von selbst erlischt,
die Sehnsucht macht mich haltlos hier,
sag, fänd' ich Halt bei dir?"
Das Kreuz beschwatzt sie gar zu sehr,
die Tränen rinnen furchtbar schwer,
sie kennt den Weg ja ungefähr,
dem Röslein hinterher..
Sie wirft sich in den Straßenfluss,
zu finden was sie finden muss
Vom Jenseits her lockt ohn' Verdruss
des Rösleins trauter Ruf
(C) Lars Abel